Zwei Millionen Brasilianer im Streik

■ Regierung will Massenstreik mit neuen Arbeitsgesetzen brechen / Ausstand auch bei den Hauptwerken der bundesdeutschen Unternehmen VW und Mercedes Benz

Berlin (afp/taz) - Die brasilianische Regierung hat ein hartes Vorgehen gegen die rund zwei Millionen Streikenden im Land angekündigt. Sie drohte, Beamte und Angestellte der öffentlichen Banken zu entlassen, falls sie die Arbeit nicht wieder aufnehmen sollten.

Zudem will sie ein neues Streikrecht ab sofort rigide anwenden. Nach einem Regierungsdekret, das am vergangenen Freitag in Kraft trat und innerhalb von 30 Tagen vom Parlament bestätigt werden muß, um Gesetzeskraft zu erlangen, müssen künftig zwei Drittel aller betroffenen Gewerkschafter einem Streik zustimmen, der zudem 48 Stunden vor Beginn angekündigt werden muß. Arbeitsgerichte können überdies einen Streik auch einfach als illegal erklären, wenn sie die Forderungen für unangebracht halten. Der Präsident des Gewerkschaftsdachverbandes CUT, Jair Meneguelli, bezeichnet die Regierungsanordnung inzwischen als „verfassungswidrig“.

In der Metallindustrie der sogenannten ABC-Region, dem Industriegürtel rund um Sao Paulo, haben zahlreiche Belegschaften eine von den Unternehmern angebotene Lohnerhöhung von 45 Prozent akzeptiert und die Arbeit wieder aufgenommen. In Sao Bernardo hingegen, wo etwa die Hälfte aller Metaller der Region beschäftigt sind, stimmte am Dienstag auf einer von 50.000 Arbeitern besuchten Vollversammlung eine klare Mehrheit gegen die Annahme des Unternehmerangebots und für die Fortsetzung des Streiks für eine Lohnerhöhung von 84 Prozent zum Ausgleich der inflationsbedingten Reallohnverluste der letzten Monate und zusätzlich 15 Prozent effektive Lohnerhöhung. Für den gestrigen Donnerstag kündigten sie eine Großdemonstration im Zentrum der Stadt an. In der Autometropole, wo der Ausstand nun fortgesetzt wird, haben auch die bundesdeutschen Multis Volkswagen und Mercedes ihre Hauptwerke. Am Dienstag wurde in der brasilianischen Stadt Volta Redonda ein Denkmal des bekannten Architekten Oscar Niemeyer zu Ehren von drei Metallarbeitern, die im vergangenen Jahr bei Streiks von der Armee erschossen worden waren, durch ein Bombenattentat völlig zerstört.

Die Metallgewerkschaft warf der Armee vor, das ihr unliebsame Mahnmal des kommunistischen Architekten, das erst am Tag zuvor eingeweiht worden war, gesprengt zu haben. Heeresminister Leonidas Pires wies dies als „Beleidigung der Armee“ zurück. Der frühere Militärkommandant der Hauptstadt, General Newton Cruz, begrüßte den Anschlag, da das Denkmal aus Stahlbeton eine „ständige Beleidigung der Militärs“ dargestellt habe.

marke/thos