: Pinochet stoppt Pläne für Verfassungsreform
■ Chiles Opposition stößt mit ihren Forderungen auf Granit / Diktator wird Verfassung nicht ändern / Wahlen - ja, Demokratie - nein
Berlin (taz) - Chiles Diktator General Augusto Pinochet hat am Mittwoch eine Änderung der Verfassung kategorisch ausgeschlossen. Nach dem Sieg über Pinochet beim Plebiszit im vergangenen Oktober hatte die Opposition auf eine Verfassungsreform gedrängt, um den Übergang zur Demokratie zu ermöglichen. Nach der Verfassung, die die Diktatur dem Land 1981 verpaßt hat, sind marxistische Parteien verboten. Zudem wird jede künftige Regierung der Kontrolle eines von den Militärs dominierten Nationalen Sicherheitsrats unterstellt.
Insgesamt 30 Verfassungsänderungen hatte die „Vereinigung der Parteien für die Demokratie“ gefordert, der von der sozialistischen Linken bis zur gemäßigten Rechten 17 Parteien angehören. Offene Unterstützung fand sie sogar bei der größten Partei der Rechten, der Renovacion Nacional, die beim Plebiszit für Pinochet eingetrat. Am vergangenen Freitag legte die Militärregierung einen eigenen Entwurf für eine Verfassungsreform vor, den die Opposition aber rundweg ablehnte.
Im wesentlichen bot die Diktatur eine Verkürzung der Amtszeit des Präsidenten von acht auf vier Jahre und die Aufhebung des Verbots marxistischer Parteien an. Vergeblich hatte die Opposition gefordert, daß künftig alle Senatoren gewählt werden und nicht - wie in der Verfassung vorgesehen
-zehn von 36 vom Präsidenten und anderen staatlichen Organen designiert werden. Zudem verlangt die Opposition, daß die zivilen Mitglieder im Nationalen Sicherheitsrat in der Mehrzahl sind und daß dieser ein bloß beratendes Organ ist. In der geltenden Verfassung hat er faktisch ein Vetorecht in der Gesetzgebung. Auch mit ihrer Forderung, daß die Chefs der Waffengattungen vom dann gewählten Staatspräsidenten ernannt werden, ist die Opposition im Regierungslager auf Granit gestoßen.
Pinochet selbst hatte wiederholt bekräftigt, daß er bereit sei, im März 1990 die Amtsgeschäfte an den Präsidenten abzugeben, der im Dezember dieses Jahres gewählt werden soll. Doch will er weiterhin Oberkommandierender der Heeresstreitkräfte und somit Mitglied des Nationalen Sicherheitsrats bleiben. Überdies wird er auch dem künftigen Senat, einer der beiden gesetzgebenden Kammer, angehören. Die Verfassung sieht vor, daß alle Ex-Präsidenten Chiles (Pinochet wird der einzige sein, alle übrigen sind bereits gestorben) Senatoren auf Lebenszeit sind.
Die angestrebte Verfassungsreform hatte in der vergangenen Woche zu einem Konflikt zwischen Pinochet und seinem Innenminister Carlos Caceres geführt, der zunächst zurücktrat, dann aber vom General doch wieder in sein Amt eingesetzt wurde. Mit dem klaren Widerruf einer bereits angekündigten Verfassungsreform hat sich nun im Regierungslager die harte Linie Pinochets offenbar durchgesetzt. Zu einem für Juli vorgesehenen Plebiszit über eine Reform des Grundgesetzes wird es damit aller Voraussicht nach nicht kommen.
thos
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen