Asbest in der Bremer Stadthalle

■ Dachkonstruktion mit krebserregenden Asbestplatten / TÜV verlangt „mittelfristige“ Sanierung / Neue Akustik-Decke auf Stadtkosten zur Versiegelung nach unten, vielleicht ganz neues Dach außen

Asbest macht Krebs - und manchmal sogar neue Dächer. Der hochgefährliche, krebserregende Baustoff Asbest wurde in einer Fläche von rund 10.000 Quadratmetern in der Deckenkonstruktion der Bremer Stadthalle verarbeitet direkt über der Halle I, wo gerade 3.500 Röntgen-ÄrztInen tagen und wo demnächst der Publikumsrenner „Hafa“ starten soll. Paradoxerweise kann die Entdeckung des hochgefährlichen Baustoffs niemand besser in den Kram passen als den Betreibern der Stadthalle selbst. Denn daß die Stadthallen-GmbH lediglich die Betreiberin des gigantischen Veranstaltungszentrums ist, die Stadtgemeinde Bremen aber die Eigentümerin, regelt den entscheidenden Punkt zu Lasten der SteuerzahlerInnen: Viel blechen muß die Stadt.

Auf 135 Metern Länge sind im gesamten Bereich der vermutlich futuristisch gemeinten Dachausleger die tragenden Holzfetten mit Asbestplatten gegen Brandgefahr verkleidet. Nach unten hin schützen nur Gipskartonplatten schlecht und recht den Zuschauerbereich vor Schlechtem von oben. Rechtzeitig vor der ohnehin im Sommer geplanten, mit 8-10 Millionen Steuergeldern veranschlagten Schönheits -Renovierung der Stadthalle fiel Mitte April den Stadthallen -Betreibern ein: Da könnte Asbestgefahr bestehen. Insgesamt drei Gutachten

von einem bremischen, einem Hamburger Institut und dem TÜV Hamburg bestätigten den Asbest-Verdacht und nahmen eine Bewertung vor. Danach ist bei Luftmessungen „nichts, gar nichts“ an Asbestfasern gefunden worden, betonte der Leiter des zuständigen Hochbauamtes, Dietrich, gegenüber der taz. „Nichts“ heißt: weniger als 1.000 Asbestfasern pro Kubikmeter Raumluft; 1.000 Fasern sind die vom Budes

gesundheitsamt als zulässig betrachtete Menge. Nun sind solche Tests von vielerlei Zufälligkeiten abhängig und „gerade keine objektive Größe, sondern oft nur die halbe Wahrheit“, erklärte die Pressesprecherin der Gesundheitsbehörde, Loest, auf Anfrage. Um mögliche Gesundheitsgefahren beurteilen zu können, will der ressortübergreifende „Arbeitskreis Asbest“ deshalb am Montag ein zusätzliches

Gutachten des norddeutschen TÜV auswerten.

Nach einem detaillierten Kriterienkatalog (Menge und Frequenz des Publikumsverkehrs, Abriebmöglichkeit, Erschütterungen, usw.) hätte nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen ab 80 Minus-Punkten die Halle sofort geschlossen werden müssen. Die Stadthalle landete mit 74 Punkten knapp davor. Fünf Jahre Frist sind nun laut TÜV gesetzt,

um den Giftbaustoff „mittelfristig“ unschädlich zu machen.

Eine für die Stadthalle prima Idee, die wiederum das Angenehme mit dem Nützlichen auf das beste verbindet, ist „in sehr sehr kooperativen Gesprächen mit der Behörde“, so Stadthallen-Chef Heinz Seesing, schließlich herausgekommen: Da, wo eigentlich für die Optik nur ein neuer Anstrich vorgesehen war, wird nun eine flammneue „Akustik-Decke“ eingezogen, die erstens den Klang optimieren soll und zweitens wie eine Versiegelung den Zuschauerraum von der Asbest-Decke sicher abschotten soll. Von oben und ohne Veranstaltungs-Pause kann dann ohne Rieselgefahr die Decke geöffnet und untersucht werden. Leicht wird es nicht sein, die Asbest-Platten ohne Staubentwicklung von den Balken loszubrechen. Ex-Bausenator Bernd Meyer, Aufsichtsratsvorsitzender der Stadthallen-GmbH, kann sich auch vorstellen, daß die Asbest-Schicht auch von oben nur „versiegelt“ wird. „Nützlicher Nebeneffekt“, so Meyer, „kann für uns jedenfalls ein neues Ober-Dach sein.“ Auf Kosten der Stadtgemeinde, versteht sich. Zahlen - sie gehen in die Millionen - mag noch gar niemand nennen; fast unkalkulierbar sind ohnehin die Eventualitäten bei der komplizierten Sanierung. Susanne Paa