Europa feiert, Türkei blutet

■ Demonstration gegen die Polizeischüsseam 1. Mai in Istanbul / Solidarität gefordert hier bitte das Foto mit den Demonstranten

Europa auf dem Marktplatz: Blasmusik und Protest gegen Polizeischüsse Foto: Sabine Heddinga Oben, im Festsaal der Bremischen Bürgerschaft, wurde mit Honoratioren und Gästen aus den EG-Mitgliedsstaaten gestern der Europatag gefeiert (vgl. nebenstehenden Artikel). Unten, auf dem Marktplatz, werden unterdessen Polit- und Freßstände zum großen Kulturfest „Europa live“ aufgebaut. Und als sich zur Eröffnung dieses Festes zur Europawahl dann die Grasberger Musikanten aufstellen, ertönen die ersten Sprechchöre „Auf die Internationale Solidarität“.

Mit Ketten aneinandergebunden und (symbolisch) blutverschmierten Umhänge-Transparenten um die Schultern protestieren TürkInnen „gegen den Faschismus in der Türkei“. Anlaß sind die Angriffe auf die DemonstrantInnen am 1. Mai in Istanbul, bei denen Polizisten wild in die Menge schossen und mindestens einen jungen Arbeiter töteten. „In der Türkei ist der 1. Mai als Feiertag verboten. Und da die Türkei der EG beitreten will und alle anderen Länder in Europa den Tag der Arbeit feiern, gehört unsere Demonstration hierher,“ erklärt ein türkischer Arbeiter den umstehenden BremerInnen ihre Aktion. Verständnisvolles Nicken weicht dem anfangs skeptischen Blick.

Unterdessen kommen die Honoratioren vom Festakt, angeführt von Bürgerschaftspräsident Dieter Klink, auf den Marktplatz. Zunächst weist er die TürkInnen unwillig zurück, erklimmt das Podium und eröffnet offiziell das zweitägige Kulturfest. Nach dem Auftritt läßt er sich auf ein Gespräch mit den DemonstrantInnen ein. Das Flugblatt zum blutigen 1. Mai in ihrer Heimat drücken sie ihm in die Hand - mit der Bitte, eine Resolution im Parlament verabschieden zu lassen. Das kann Klink jedoch nicht zusichern. Er gibt den TürkInnen stattdessen Ratschläge, wie sie ihre Forderung auf den politischen Weg bringen können: „Sie müssen sich an die Fraktionen wenden,“ so klärt er auf. Er könne den Brief lediglich mit einem Eingangsstempel versehen und „zur Kenntnisnahme“ vorlegen.

Beharrlich wollen die DemonstrantInnen jedoch erreichen, daß ihre Resolution in der nächsten Sitzung des Parlaments abgestimmt und ein Protestbrief an das Innenminsterium in Ankara geschickt wird.

Thomas von der Vring, Bremens SPD-Kandidat für Europa, beschwichtigt die aufgebrachte Diskussion: „In der nächsten Debatte des Europa-Parlaments in zwei Wochen in Straßburg ist der blutige Mai auf der Tagesordnung. Die SPD hat bereits eine Stellungnahme eingebracht.“ Dieter Klink beschreibt ihnen daraufhin noch den Fußweg zu den Büros der Fraktionen.

ra