„Ein-Eltern“ in Bewegung

■ Am Wochenende findet die Bundesdelegiertenversammlung des Verbandes allein- stehender Mütter und Väter statt / Ein-Eltern-Familien fordern rechtliche Gleichstellung

„Es ist einiges in Bewegung gekommen“, faßt Ebba Zimmermann vom Verband Alleinstehender Mütter und Väter e.V. (VAMV) zusammen. „Die Anerkennung auch dieser Art von Familie ist größer geworden.“ Wenn der Gesetzgeber jedoch Geld einsparen wollte, dann hätten Alleinerziehende oft das Nachsehen. Die Liste der Forderungen und Beschwerden der Alleinerziehenden ist deshalb noch lang.

Zum Beispiel in Sachen Steuerrecht: „Wir werden besteuert wie Singles“, empört sich Helgard Ulshoefer, stellvertretende Bundesvorsitzende. „Der Staat verdient an uns: Als Alleinerziehende müßte man sechs Kinder haben, um den Steuervorteil der Verheirateten zu erreichen.“ Noch immer sei Familienpolitik in der Bundesrepublik „gleich Ehepolitik„; die von verheirateten Politikern und Beamten gemacht werde. Seit 1967 setzt sich der Verband für die Verbesserung der rechtlichen und sozialen Situation von alleinstehenden Müttern und Vätern ein.

Eine „ganze Palette von Forderungen“ soll an diesem Wochenende auf der Bundesdelegiertenversammlung des VAMV in Berlin diskutiert werden. Zum Beispiel die Anerkennung der Kindererziehungszeiten im Rentenrecht für alle Mütter. Derzeit gilt das „Babyjahr“ nur für nicht berufstätige Frauen. Oder gleiches Kindergeld für alle Kinder und die Ausweitung der Unterhaltsvorschußkassen. Die Kassen strecken, wenn es der Vater nicht tut, den Unterhalt vor jedoch nur drei Jahre lang und nur für Kinder unter sechs. „Wir reden hier von Vätern, weil die es in der Regel sind, die nicht zahlen“, stellt Gunhild Gutschmidt, wissenschaftliche Referentin des VAMV, klar.

Frauen stellen immer noch den weitaus größeren Teil der Alleinerziehenden (84 Prozent). Der Anteil der Ein -Elternteil-Familie liegt bundesweit inzwischen bei 14 Prozent. In Berlin sind es jedoch rund 25 Prozent. 60.000 Mütter und Väter in der Halbstadt erziehen ihre Kinder allein. „Jedes zweite Kind, das in Berlin geboren wird, muß damit rechnen, zumindest zeitweilig in einer Ein-Elternteil -Familie zu leben,“ sagt Sabine Klingsporn, die Berliner Landesvorsitzende.

„Die Situation in Berlin ist noch relativ gut im Vergleich zu den anderen Bundesländern“, führt sie aus. Zum Beispiel gäbe es hier ein vergleichsweise großes Angebot an Ganztagskindergartenplätzen und auch Ganztagsschulen. Die Frage der Kinderbetreuung hat für die Alleinerziehenden hohe Priorität, denn die meisten Alleinerziehenden wollen oder müssen berufstätig sein. Sie fordern ein entsprechend großes Angebot an Unterbringungsmöglichkeiten, auch für Kinder unter drei Jahre.

„Kinder sind teurer, wenn ich berufstätig bin“, sagt Gunhild Gutschmidt. Bei privater Betreuung können Kosten bis zu 800 Mark im Monat entstehen. Doch selbst die Arbeitgeber zeigten in letzter Zeit steigendes Interesse an dieser Frage.

Hoffnungen setzen die Alleinerziehenden auch auf den EG -Binnenmarkt 1992. „Alle Länder der EG haben Ganztagsschulen“, heißt es und für die deutschen Firmen ergäben sich somit Standortnachteile. „Wenn eine Französin jetzt nach Deutschland kommt, die fällt doch in Ohnmacht“, faßt Helgard Ulshoefer zusammen.

Frauke Langguth