Südlich, sonnig, sorglos

■ Naturreiche und grüne Umgebung - so das Marketingkonzept der Center Parcs / Doch weniger die Natur, als vielmehr die Kalkulierbarkeit menschlicher Bedürfnisse standen Pate beim Erfolg dieser konsumorientierten...

Henk Raijer SÜDLICH, SONNIG, SORGLOS

Naturreiche und grüne Umgebung - so das Marketingkonzept der Center Parcs / Doch weniger die Natur, als vielmehr die Kalkulierbarkeit menschlicher Bedürfnisse standen Pate beim Erfolg dieser konsumorientierten Freizeitindustrie

„Uit en toch een beetje thuis“ (In der Fremde und doch wie zu Hause). Mit diesem Slogan startete vor einigen Jahren die Fluggesellschaft KLM eine Werbekampagne für das Urlaubsparadies Aruba, die kleine Karibik-Insel vor der Küste Venezuelas: politisch, sprachlich und kulturell bis 1985 integrierter Bestandteil des Königreichs der Niederlande. Das Poster verhieß einerseits tropische Badefreuden und karibische Exotik, den gewohnten Komfort sowie Vertrautheit und Sicherheit andererseits. Die Regie für den Transport Zehntausender Landsleute nach Westindien übernahm natürlich KLM selbst. Diese Bedürfnislage risikoscheuer, aber konsumfreudiger Freizeitmenschen mit gehobenen Ansprüchen inspirierte einen Rotterdamer Geschäftsmann, sein bereits bestehendes Freizeitangebot in den Niederlanden um eine Dimension zu erweitern. „Warum in die Ferne schweifen...“, dachte sich Center-Parcs-Chef Piet Derksen und baute seinen sonnenhungrigen und dauergestreßten Landsleuten ihr Tropenparadies unmittelbar vor die Haustür. Auf einem unweit von Amsterdam gelegenen Acker in Flevoland, der zwölften Provinz der Niederlande, entstand auf einem Gesamtareal von ca. hundert Hektar 1980 aus dem Schlamm dieses gerade erst in mühsamer Wühlarbeit dem Meer abgerungenen Stück Landes der Bungalowpark „De Eemhof“. Sensation der neuesten Ausgabe von Derksens seit 1968 kontinuierlich expandierender Bungalowpark-Kette war das subtropische Schwimmparadies.

Bei einer ständigen „Außen„temperatur von 29 Grad, zwischen subtropischen und tropischen Pflanzen, palmbedeckten Hütten und fröhlichen Mitmenschen, herrscht in den saisonunabhängigen Planschbecken unter der UV -strahlendurchlässigen Glaskuppel die von Center Parcs versprochene und vom eigenen Geldbeutel diktierte Sorglosigkeit. Wem schlichte Badefreuden, türkische Dampfbäder, Sauna, Salzwasserschwebe- und Heilkräuterbäder nicht genug Action sind, den erwartet darüber hinaus die Herausforderung eines hausgemachten Dschungels: Die Wasserrutsche mit ihren steilen Hängen und scharfen Kurven begeistert Kinder und Erwachsene gleichermaßen. Rauschende Stromschnellen reißen einen an Felswänden und Regenwäldern entlang durch original Stalagmiten- und Stalaktitengrotten hinunter ins Hauptbecken. Am Ende dieser nervenaufreibenden Reise winkt den Abenteurern ein Punch Coco oder Martini Jigger an der Schwimmerbar - deren Hocker selbstverständlich im Wasser stehen. Prima Klima

Das Wetter überläßt Center Parcs nicht dem Zufall. Während draußen Novemberstürme toben, Wind und Regen die Straßen leerfegen, herrscht im „Parc Plaza“ Hochsommer. Mit seinem 20.000 Quadratmeter umfassenden überdachten „Marktplatz“, der Krönung seiner Schlecht-Wetter-Formel, hat Center Parcs 1986 einige seiner Ferienanlagen winterfest gemacht und den lästigen saisonalen Klimaschwankungen in unseren Breiten eine endgültige Absage erteilt. Das Bistro „Chez Pierre“ hat weder Türen noch Fenster. Genausowenig der „Winkel van Sinkel“, ein kleiner Krämerladen, die Bäckerei oder der Sportshop. Wozu auch. Die Temperatur ist konstant. Draußen ist eben drinnen. Unter der riesigen, mehrfach gewölbten Glaskuppel läßt es sich lustvoll flanieren und konsumieren, in jeder Nische eine Eisdiele, eine Boutique ein Videoshop. „Wollen wir zum Essen reingehen?“ höre ich vom Nachbartisch. Das Paar hat sich auf einer der zahlreichen subtropischen Terrassen „draußen“ niedergelassen. Parc Plaza ist kein Gebäude im herkömmlichen Sinne, sondern eine Kompaktlandschaft, die perfekte Simulation tropischen, subtropischen und mediterranen Ambientes.

Kompakt ist auch der latente Musikteppich. Auf ihm schwebt der Gast vom Fitneßcenter zur Cocktailbar, von der Tennisarena zum Fechtstudio, vom Kindergarten zum Schwimmparadies. Unzählige Spezies tropischer und subtropischer Flora und Fauna säumen die kleinen Pfade und Flüßchen: Chilenische Flamingos und Kraniche aus Afrika dümpeln in Goldfischteichen herum; Amazonas-Papageie haben es sich in mediterranen Farnen-Arten gemütlich gemacht; Bambusrohre speisen die kleinen subtropischen Tümpel, deren Ufer mit Steinen aus der heimischen Maas befestigt wurden; aus einem großen Kunststoff-Felsen plätschert herrlich klares (Leitungs-)wasser und bahnt sich durch verstreut herumdrapierte Zisternen (griechisch, römisch?) seinen Weg. Was Menschen mögen

Parc Plaza und subtropisches Schwimmparadies sind zwar die Hauptattraktionen der bisher zwölf Center Parcs in den Niederlanden, Frankreich, Belgien und England. Die Basis des „Produkts“ Center Parcs hingegen ist, glaubt man der Selbstdarstellung des Managements, auch nach 20 Jahren die Erholung in der freien Natur. 600 bis 650 Bungalows unterschiedlicher Größe und Ausstattung zählt heute eine Ferienanlage der Marke Center Parcs. Kiesgruben wurden zu wunderschönen Seen, Wiesen und Waldparzellen zu Miniatur -Venedigs umgewandelt. Keine erdenkliche Sportart, für die es nicht eine eigene Anlage sowie kompetente, wenn nicht gar prominente Betreuer gäbe. An 365 Tagen können hier mitten im Hochsommer Flachlandjodler auf Kunststoffpisten Parallelschwünge üben, mit Schleppliften wieder hinauffahren und „auf der Hütt'n“ genüßlich einen Jagertee schlürfen.

Welche Konzeption, welche Unternehmensphilosophie verbirgt sich hinter Center Parcs NV, der größten Freizeitorganisation Europas, einem Unternehmen, das es wie kein anderes versteht, „das, was Menschen mögen“, planerisch und unternehmerisch umzusetzen?

Bereits 1953 hieß Piet Derksens Devise: „Alles unter einem Dach“, die später in die Center-Parcs-Idee gipfelte. „Sporthuis Centrum“ war der Name eines in Europa einzigartigen Warenhauses für Sportartikel aller Art. An der Lijnbaan, dem hypermodernen Einkaufszentrum im Herzen des 1940 fast völlig zerstörten Rotterdam, etablierte der passionierte Freiluftcamper Derksen auf einigen tausend Quadratmetern Fläche sein erstes Sportgeschäft, dem in den darauffolgenden zehn Jahren 21 Filialen im Lande folgen sollten. Für die Niederlassung einer weiteren Filiale war das Waldgrundstück, das ihm 1967 von seiner Bank für 300.000 Gulden angeboten wurde, denkbar ungeeignet. Von Bungalowparks hatte in den 60er Jahren noch niemand etwas gehört. 1968 baute Derksen in Reuver, einer naturreichen Umgebung an der deutsch-niederländischen Grenze auf seinem Waldgrundstück 100 Steinbungalows, machte in bescheidener Auflage Werbung und wurde sofort von der Nachfrage überrumpelt. In der Saison 1970 - das kleine Schwimmbad in der Größe eines mittelgroßen Fischteiches war inzwischen mit einer einfachen Plastikplane und einem Heizkörper winterfest gemacht worden - hatte Derksen den genialen Einfall, in jedem seiner Häuschen Farbfernseher zu installieren, zu einem Zeitpunkt, als noch niemand sich ein solches Gerät leisten konnte.

Monique Dekking, PR-Managerin in der Rotterdamer Direktion, ist geradezu die Verkörperung des Lebensgefühls der Frauen und Männer in den Führungspositionen von Center Parcs: Wir sind jung, kompetent, packen an und erreichen, was wir wollen. Ende 20, gut ausgebildet, hübsch, ausgesprochen freundlich und eloquent, teuer, aber leger gekleidet, erläutert sie die Unternehmensphilosophie: „Raus in die Natur, Aktivität, Komfort und Spaß. Der größte Teil unserer Gäste kommt aus den industriellen Ballungsräumen. Grundlage unserer Firmenphilosophie ist der Bungalow in naturreicher, grüner Umgebung. Zugegebenermaßen bieten jedoch Parc Plaza und Schwimmparadies neuerdings die Garantie für die ganzjährige Auslastung unserer Anlagen im In- und Ausland, und die liegt bei 96 Prozent.“ Weniger die Natur, als vielmehr die Kalkulierbarkeit menschlicher Bedürfnisse steht wohl Pate beim Erfolg dieses Produkts.

„Wir verfolgen den Grundsatz: Nie direkt an der Küste. Wie von selbst assoziiert der Urlauber Strand immer mit der dazugehörigen Saison. Eine Center-Parcs-Anlage soll außerdem für das Gros unserer Gäste innerhalb einer Autostunde erreichbar sein. Für gewöhnlich projektieren wir in vernachlässigten Waldgebieten, die wir dann nach unseren Vorstellungen neu aufforsten. Wir arbeiten selbstverständlich in hundertprozentiger Kooperation mit der örtlichen Verwaltung.“ Die klappte bis heute offenbar ganz gut - nicht zuletzt wegen der Zusage, alle erforderlichen Fachkräfte aus der unmittelbaren Umgebung zu rekrutieren. Den oft gehörten Vorwurf, die Projektleitung mißbrauche das Arbeitsplatzargument, da Fachkräfte in der von Center Parcs benötigten Anzahl dort ohnehin nicht zur Verfügung stünden, kontert Frau Dekking selbstbewußt: „Unsere zukünftigen MitarbeiterInnen sollen nur eins mitbringen, und das ist Ausstrahlung, nicht so sehr Qualifikation. Die Ausbildung übernehmen wir. 550 Arbeitskräfte, Bademeister, Personalchefs, Barkeeper, Köche usw. können so direkt aus den umliegenden Dörfern selektiert werden, wenn wir neu eröffnen. Und das garantieren wir der Kommune. Die neuen MitarbeiterInnen besuchen danach erst mal unsere hauseigenen Lehrgänge, die die Neuen mit unserem Produkt vertraut machen.“ Autarke Freizeitindustrie

Das Center-Parcs-Management strebt nach absolutem Monopol im nordeuropäischen Raum. 5.000 Mitarbeiter zählt das Unternehmen heute. Wurden früher geleaste Putzkolonnen eingesetzt, Lebensmittelzulieferer per Vertrag angeheuert, Nadel- und Laubbäume für teures Geld eingekauft, Kellner aus dem umliegenden Raum für die Saison abgeworben, so ist Center Parcs heute in jeglicher Hinsicht autark. Nicht nur alles unter einem Dach, sondern auch alles in eigener Hand, lautet die Devise.

Das Wort Zufall hat Center Parcs aus dem Vokabular gestrichen. Hier gibt es keine unangenehmen Überraschungen. Von den freundlichen MitarbeiterInnen wird ständig vorausgedacht. Das ist nicht sehr spontan, aber bequem. Auf die Bedürfnislage ihrer Gäste, auf die Berechenbarkeit ihrer Wünsche setzt das Unternehmen und strebt danach, immer origineller, qualitativ besser, moderner, kompletter zu sein. Die Quote des Wiederholungsbesuches (70 Prozent) ist ein Beleg für den Erfolg dieser Konzeption. 1,4 Millionen niederländische Gäste hat Center Parcs 1988 allein in den niederländischen Anlagen beherbergt. Das sind 10 Prozent der Bevölkerung! 70 Prozent davon Familien mit Kindern.

Ganz billig ist das „Sorglose Genießen“ bei Center Parcs jedoch nicht: Pro Woche kostet ein 6-Personen-Bungalow in der Hochsaison bis zu 1.400 Mark netto, denn außer dem Schwimmvergnügen gibt's nichts umsonst. Leisten können sich Urlaub nach Center-Parcs-Manier nur mittlere Einkommensgruppen. Dennoch gehört dem „Produkt“ Center Parcs offenbar die Zukunft: jährliche Umsatzsteigerungen bis zu 21 Prozent. Der Jahresumsatz des Unternehmens hat sich in den Jahren nach der Einführung des Parc Plaza, also seit 1985, von 255 auf 460 Millionen Gulden fast verdoppelt. Der Nettogewinn betrug im vergangenen Jahr 40 Millionen Gulden. Center Parcs setzt seit 1987 deutlich auf Expansion im nordwesteuropäischen Ausland sowie auf Diversifikation: Im Herzen Rotterdams eröffnete im September letzten Jahres das multidimensionale „Tropicana“ seine Pforten, ein 50 Millionen Gulden teures subtropisches Riesenschwimmbad für Tagesurlauber, das eine Million Besucher jährlich anziehen soll. Hauptattraktionen sind die tägliche Laser-Show und eine wöchentliche „tropical night“ mit Samba-Bands auf dem Wasser. Profit aus Naturquellen

Was macht gerade dieses Unternehmen so erfolgreich möglicherweise bald auch in der Bundesrepublik? Monique Dekking: „Der Konkurrenz fehlt das 20jährige Know-how und die finanzielle Reserve. Technisch und finanziell sind wir in der Lage, innerhalb von Jahresfrist aus dem eigenen Umsatz einen kompletten Park zu bauen und drei Millionen Broschüren zu vertreiben. Welcher Anbieter kann sich so etwas schon leisten?“ Die Kommunen rennen der Firma mittlerweile die Türen ein. Immobilien-, Gewerbe- und Umsatzsteuern in Millionenhöhe sind verlockend, und welche Ortsverwaltung könnte da widerstehen? Das Argument der touristischen Übererschließung hat bisher nur selten gezogen, und welcher Politiker macht sich schon gerne unbeliebt? Margret Thatcher persönlich lobte im Vorfeld zum Bau des Sherwood Forest Holiday Village in Nottinghamshire den Unternehmergeist des niederländischen Freizeitanbieters, und das britische Wirtschaftsministerium honorierte die Initiative mit der höchsten Investitionszulage, die je einem ausländischen Investoren zuerkannt wurde.

Center-Parcs-Projektleiter lassen indes keine Gelegenheit aus, vor dem ersten Spatenstich eventuelle Zweifler von der Umweltverträglichkeit ihres Konzepts zu überzeugen. In enger Zusammenarbeit mit der staatlichen Forstwirtschaft überlegt das Center-Parcs-Team, wie sie die geplanten Anlagen ohne größere Beeinträchtigung der Natur realisieren kann. Die enormen Finanzmittel, die das Privatunternehmen für die Instandsetzung und -haltung des Waldbestandes aufwendet, läßt Forstwirtschaftsbeamte vor Neid erblassen. Aus den Händen des englischen Umweltministers kassierte Center Parcs 1988 gar einen bedeutenden Umweltpreis - für die konsequente Umsetzung ihres umweltschonenden Freizeitprogramms. „Wir horchen vor Baubeginn erst mal auf die Natur. Kahlschlag gibt es nicht, und wir bauen keine Feriendörfer nach ausschließlich ökonomischen Gesichtspunkten. Bei uns geht es um das Ferienhaus in der Natur“, so Parkarchitekt John Fähmel. Bis zu 400.000 Bäume werden in einem Bungalowpark Marke Center Parcs neu gepflanzt. „Jeder einzelne Baum steht auf seinem Platz, und jeder, der weichen muß, tut uns weh“, tönt sein Grünkoordinator. Fichten, Buchen, Eichen und Tannenarten werden in eigenen Baumschulen gezogen, und die bildbestimmenden Bäume bis ins Jahr 2065 liegen schon heute auf dem Zeichentisch des Landschaftsplaners. Be happy

Auch im Bereich medialer Massenunterhaltung überläßt Center Parcs nichts dem Zufall. Neben einigen Kabelsendern verfügt jede Anlage über zwei eigene Videokanäle. Frühstücksfernsehen für Jung und Alt, spannende Unterhaltung an regnerischen Herbsttagen, Sex und Gewalt sind auf Geheiß des streng katholischen Firmengründers tabu. Unterbrochen wird das täglich aktualisierte Videoangebot von eigens für Center Parcs angefertigten Werbespots, die die verordnete Sorglosigkeit der Gäste nicht beeinträchtigen. Waschmittel und Versicherungen sind vom Bildschirm verbannt, dafür jede Menge Autos, Bier und leckere Speisen: ein Rundherum -Sorglospaket für die „kostbarsten Tage des Jahres“. Wo sonst werden einem Natur, Vitalität, Service, Komfort und dazu noch die Tropen frei Haus geliefert?