Die Welt in Vitrinen

■ Im Überseemuseum sind ab sofort „Indianische Kulturen Mittel- und Südamerikas“ in Vitrinen zu besichtigen: In 5 Jahren wird die „integrierte“ Ausstellung fertig sein

Im neu konzipierten 1. Obergeschoß des Überseemuseums wachsen die Kontinente Stück für Stück, und zwar in Nord-Süd -Richtung. Afrika beginnt gleich hinter der (nördlichen) Eingangstüre mit Ägypten. Genauer, mit einer im Kleinformat akribisch nachgebildeten Marktszenerie. Über die Sahara zieht sich der afrikanische Kontinent mittlerweile lückenlos und in Inszenierungen hin bis Mali. Hier ist hinter einem nachgebauten Lehmgehöft der bäuerlichen Bamakos Schluß. Der afrikanische Rest bis zum Kap und zur Apartheid soll in den nächsten fünf Jahren fertiggestellt werden.

Genau gegenüber des afrikanischen Teilkontinents ist bereits Nord-, Mittel-, und Süd-Amerika in Teilen angesiedelt. Von der Arktis und den Inuit, über die nordamerikanischen IndianerIn

nen und den prachtvollen ausgestopften Büffel bis hinunter nach Mexiko. Und hinter Mexiko ist z.Zt. noch Schluß. Auch hier wird es noch mindestens drei Jahre dauern, bis der Rest des lateinamerikanischen Kontinents in „integrierte“ Ausstellungskonzepte umgesetzt ist. Denn „integrierte“ Ausstellungen sind arbeitsintensiv und dazu besonders schwierig in einem verarmten Museum umzusetzen. Da müssen Tiere präpariert und verkleinerte Landschaften und Szenerien in „Dioramen“ placiert werden. Es müssen Zelte, Kochtöpfe und Arbeitsgeräte eingekauft und aufgestellt werden, da müssen Daten zum Klima, zur Kolonialgeschichte und den Hauptausfuhrprodukten aufbereitet werden...

Die 400 qm Fläche, die „südlich“ von Mexiko noch öd und leer ist, hat seit gestern eine neue

Bestimmung: Hier sind „Indianische Kulturen Mittel-und Südamerikas“ an Wänden und in Vitrinen untergebracht. Sie sollen lateinamerikanische Platzhalter sein, bis hier in fünf Jahren der „integrierte“ Rest des Kontinents angesiedelt wird. Die Exponate für die „indianischen Kulturen“ stammen ausnahmslos aus dem hauseigenen Archiv.

Der in Peru geborene Südamerikanist Claudius Giese hat in nur 1jähriger ABM-Zeit die Archivbestände kostengünstig in Vitrinen unterbringen müssen. Für ein „integrativeres“ Konzept reichten weder Zeit noch Geld. So muß sich die BetrachterIn auf 400 qm von Vitrine zu Vitrine, von Indianerkultur zu Indianerkultur, durch etliche Länder (Guatemala, Costa Rica, Ecuador u.a.) und unterschiedliche Zeitaltern (präkolumbianisch, kolonial, modern)

vorarbeiten. Für LiebhaberInnen mit etwas Geduld gibt es jedoch Kostbarkeiten zu entdecken: Farbenfrohe Webereien der guatemaltekischen Indianerinnen, ein Webstuhl und Musikinstrumente. Daneben hängen Masken, wo sich der blasierte spanische Eroberer mit seinem Spitzbart abhebt vom grob geschnitzten indianischen Teufel. An Grabbeigaben der präkolumbianische Moche vorbei geht die Wanderung schließlich zu peruanischen und bolivianischen Textilien. Nebeneinander hängt gewebter Stoff mit den alten indianischen Mustern, mit dreieckigen Menschenfiguren und „Marsmännchen“. Zum Kontrast daneben eine Textilie aus der Kolonialzeit mit europäisch-überformten Ornamenten versehen.

Und wen die vielen Vitrinen ermüden, die oder der kann jederzeit in nördlicher Richtung zu den Büffeln oder den „leibhaftigen“ Menschenfiguren zurückwandeln.

B.D.