Über 100 private Gift-Kippen

■ In Niedersachsen wimmelt es von betriebseigenen Sondermülldeponien / Erste Übersicht nennt 103 Lager mit 30 Mio Tonnen Giftmüll / Keine öffentliche Kontrolle

Mit einer Menge von 300.000 Tonnen Giftmüll jährlich kalkuliert Niedersachsens Umweltminister Remmers in seinem neuen Abfallbeseitigungsplan. Doch damit wird nur ein Bruchteil des industriellen Abfalls erfaßt, der in Niedersachsen tatsächlich in Automobil- und Stahlwerken, chemischen Fabriken, im Bergbau oder bei der Erdölförderung anfällt. Mehrere Millionen Tonnen landen jährlich auf privaten Kippen. Insgesamt 103 dieser sogenannten „Betriebsdeponien“ weist eine aktuelle Liste des Umweltministeriums aus. Dort lagern bisher rund 30 Millionen Tonnen Sonderabfälle mit unterschiedlicher Gefährlichkeit. Hinzu kommen noch über 50 Mil

lionen Tonnen Abraum aus der Salzgewinnung.

Die meisten Betriebsdeponien sind vor Inkrafttreten des ersten Abfallgesetzes 1972 genehmigt worden, die übrigen zumeist ohne Planfeststellungsverfahren und somit unter Ausschluß öffentlicher Beteiligung. Umweltexperten der Opposition sprechen unverhohlen von „Rechtsbeugung“. Ein Großteil der Abfallkippen für Lack- und Farbschlämme, Asbest -, Cadmium-, oder Aluminiumschlämme, für Galvanikschlacken oder verunreinigte Bohrrückstände hat keine Abdichtung des Untergrundes. In vielen Fällen wird Regenwasser nicht aufgefangen, sondern kann die Deponie nach und nach durch

spülen. Beobachtungsbrunnen sind nicht die Regel.

Das Ergebnis: Bereits bei 20 Deponien registriert das Ministerium „auffällige Befunde“. Erhöhte Werte für Chlorkohlenwasserstoffe im Grundwasser in Niedergandern bei Göttingen, hohe Eisen-, Mangan- und Cyanidkonzentration im Bereich der Deponie Berkum der Stahlwerke Peine-Salzgitter, erhöhte Nitrat- und Ammoniumbelastung im Bereich der Klärschlammdeponie Löningen (Kreis Cloppenburg) oder Chlorbelastungen im Grundwasser in der Nähe von sieben Bohrschlamm-Deponien von Preussag, der BEB Erdgas und Erdöl GmbH sowie Mobil Oil.

Vor über drei Jahren schon for

derte der Landtag die Regierung auf, sämtliche Betriebsdeponien zu überprüfen. Die Übersicht gelang erst im vorigen Jahr. Lediglich im Fall der VW-eigenen Lackschlammgrube bei Essenrode wurde 1988 eine Zwischenlagerung durchgesetzt.

Das Umweltministerium hat unmittelbar nur Zugriff auf 44 Deponien. In 59 Fällen ist das Wirtschaftsministerium über seine Bergämter zuständig. Hier wurde größtenteils kein Abfallrecht für die Genehmigung angewendet. Einzelne dieser unter Bergbauaufsicht stehenden Deponien gründen sich auf ein Oldenburgisches, Braunschweigisches oder Preußisches Wassergesetz.

Andreas Möser