Vom Recht der DVU auf Stadthallen

■ Fast alle bundesdeutschen Verwaltungsgerichte einig: Nicht verbotene Parteien haben ein Recht auf öffentliche Räume Bremer Stadthallen-Chef hatte DVU-Anfrage abgewiesen / Entscheidung über Kautionsforderung steht in Frankfurt aus

„Kurzsichtig“ nennt die FDP-Fraktion, daß Stadthallenchef Heinz Seesing in der vergangenen Woche der DVU die Halle für eine Großkundgebung am 17. Juni 1989 versagte. Da ein solches Hallenverbot rechtlich auf „äußerst schwachen Füßen“ stehe, sei nicht auszuschließen, daß „das Oberverwaltungsgericht Bremen letztinstanzlich eine Entscheidung zugunsten der DVU fällt“, so FDP-Sprecher Friedrich van Nispen. Schon vor der Entscheidung Seesings hatte der Münchener DVU-Sprecher Wetzel im Gespräch mit der taz durchblicken lassen, daß der Weg in die Stadthalle auch über einen Richterspruch führen könne.

Etliche Städte und Gemeinden in der Bundesrepublik haben in ihren kommunalen Gremien Beschlüsse gefaßt, neofaschistischen Organisationen Räumlichkeiten zu versagen und beantragte, Genehmigungen nicht zu erteilen. Fast alle Verwaltungsgerichte sind dagegen einer Meinung, daß solche Entscheidungen der Kommunen aufzuheben seien.

Als die Stadt Mannheim zum Beispiel 1986 per Gemeinderatsbeschluß die NPD als Nachfolgeorganisation der NSDAP bewertete und ihr Räume und Werbeflächen nicht genehmigte, entschied das Verwaltungsgericht Karlsruhe (am 18.2.88 /AZ 6K126/87): „Der Grundsatz der Chancengleichheit aller Parteien ist nicht nur ein Element objektiver Ordnung, sondern ist grundrechtlich gesichert. Dieses Grundrecht der Chancengleichheit im Rahmen des freien und offenen Willensbildungsprozesses steht allen politischen Parteien zu, die nicht vom Bundesverfassungsgericht (nach Art. 21 Abs. 2 GG) verboten sind; es verbietet jede staatliche Maßnahme, die

den Anspruch der Partei auf die Gleichheit ihrer Wettbewerbschancen willkürlich beeinträchtigt.“ Und weiter: „Dieser Grundsatz gilt ausnahmslos, er erfährt keine Einschränkung für verfassungsfeindliche oder verfassungswidrige Parteien.“

In Frankfurt, wo jetzt die NPD überdies ins Stadtparlament einzieht, gab es eine der heftigsten Auseinandersetzungen. 1985 hatte das dortige Verwaltungsgericht einen Antrag der NPD auf die Vermietung von städtischen Räumen durch einstweilige Anordnung abgelehnt. Es begründete dies mit dem Verbot „jeglicher Tätigkeit seitens aufgelöster nationalsozialistischer Organisationen oder Handlungen zum Zweck der Erneuerung solcher Tätigkeiten“, denn: nach Ansicht der Frankfurter Richter besteht ein Militärregierungsgesetz fort, das eine „Fortsetzung national -sozialistischer Aktivitäten“ verbietet. Sicherheit und Ordnung

kein alleiniger Maßstab

Die übergeordnete Instanz jedoch, der Verwaltungsgerichtshof in Kassel, entschied in dieser Frage wenige Monate später wiederholt: Der Artikel 139 Grundgesetz, nach dem die zur „Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus“ erlassenen Rechtsvorschriften von den Bestimmungen des Grundgesetzes unberührt bleiben, ist nach nahezu einhelliger Auffassung in der Kommentarliteratur mit dem Abschluß der sogenannten Entnazifizierung gegenstandslos geworden... Die „Saalbau GmbH“ (Frankfurter Pendant zur Bremer Stadthallen GmbH) mußte deshalb der NPD mehrfach Räume überlassen, und dies obwohl schwere Krawalle zu befürchten waren: Bei der ersten

NPD-Versammlung im Frankfurter Bürgerhaus „Gallus“ war 1985 der Gegen-Demonstrant Günter Sare von einem Wasserwerfer der Polizei überrollt und getötet worden. Außerdem war die benachbarte Mercedes-Benz-Vertretung in Flammen aufgegangen.

Die Frankfurter Stadthallen-Betreiber fordern inzwischen prophylaktisch eine 100.000 Mark hohe Kaution für eventuelle Beschädigungen, bevor sie der NPD ihre Räume überlassen. Auch hierüber haben Gerichte das letzte Wort. Eine Entscheidung steht zur Zeit noch aus.

Unabhängig davon stellte das Bundesverwaltungsgericht bereits 1983 fest: „Die NPD verfolgt Ziele, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht zu vereinbaren sind.“ NPD und DVU sind bekanntlich in Personalunion weitgehend identisch.

Birgitt Rambalski

Eine ausführliche Dokumentation von Urteilen der Verwaltungs- und Zivilgerichte und Stellungnahmen und Beschlüssen von Kommunen ist mit dem Arbeitsheft „Kein Anspruch auf Legalität“ bei der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes erhältlich.