Berlins Sport-Chef als Anführer einer neuen APO?

■ Manfred von Richthofen, der als Präsident des Landessportbundes (LSB) für seine Politik auf die Straße gehen will, äußert sich kritisch zu Prestigeveranstaltungen des alten Senats und setzt auf Härte gegenüber Sport-Staatssekretär Kuhn (AL)

taz: Mit der neuen Senatspolitik zum Sport hat es in den letzten Wochen einige Konflikte gegeben, die so noch nicht dagewesen sind.

Richthofen: Das kann man wohl sagen, daß es Auseinandersetzungen gegeben hat. Bis jetzt gibt es da allerdings nur Absichtserklärungen des Senats, genauer von Staatssekretär Kuhn. Insgesamt gilt es festzustellen, daß es Unterschiede zwischen der SPD- und der AL-Auffassung gibt. Das steht heute schon fest. Wir müssen sehen, was die Auffassung des Gesamtsenats ist.

Welche Sportarten sehen Sie durch die neue Politik besonders gefährdet?

Hauptsächlich der Profi-Sport, besonders der Fußball ist von den neuen Maßgaben besonders betroffen. Die Profi-Clubs gehören genauso gefördert wie beispielsweise das Theater, weil sie eben auch Teil der Unterhaltung sind. Fußball ist eine Attraktion und stößt nach wie vor auf ungleich größeres Interesse. Wir lassen durchaus mit uns reden wenn man sagen würde, daß der Fußball über einen Werbetopf oder durch den Senator für Wirtschaft gefördert werden soll. Auf jeden Fall muß es weiterhin eine Förderung geben wie in anderen Ländern und Gemeinden auch. Wir wären nämlich in Berlin die ersten, die auf eine Unterstützung der Profis verzichten würden.

Sollen denn die Geldmittel für die Profis ganz gestrichen werden? Wissen Sie schon Konkretes?

Nein, in den Absichtserklärungen heißt es nur, daß der professionelle Sport sich selbst finanzieren soll. Der Staatsekretär Kuhn hat den köstlichen Ausspruch getan, daß erplötzlich die freie Marktwirtschaft im Bereich des Sports haben möchte. Sonst nicht, aber im Bereich des Sports will er sie haben.

Senatorin Volkholz hat kurz nach ihrem Amtsantritt gesagt, daß sie auf Senatsebene mit der DDR Verhandlungen über Sportbegegnungen aufnehmen wolle. Sie haben sich gegen solche Verhandlungen ausgesprochen.

Es gibt ein Sportabkommen zwischen dem Deutschen Sportbund (DSB) und dem DTSB der DDR von 1974, an das wir uns zu halten haben. Darin steht, daß Sportverhandlungen ausschließlich auf der Ebene DSB und DTSB geführt werden. Ich würde die Zugehörigkeit zum Bund beziehungsweise zur Bundessportorganisation torpedieren, wenn ich den von Frau Volkholz vorgeschlagenen Weg gehen würde. Das war also völliger Schwachsinn.

Wissen Sie, wie Frau Volkholz zu dieser Initiative kam?

Das weiß ich nicht. Ich kann nur sagen, daß auch die Präsidenten des DSB und des NOK auf diese Aussagen mit Empörung reagiert haben. Für Separatverhandlungen bräuchte ich keinen Senat und keine Frau Volkholz. Mir braucht auch keiner was über Sportverhandlungen mit der DDR zu erzählen.

Von kommerziellen Sportanbietern und von den freien Gruppen erwächst dem organisierten Sport neue Konkurrenz. Warum ist Sport im Verein trotzdem am schönsten, wie es von seiten des DSB immer heißt?

Wir glauben, daß es in den Vereinen ein gesellschaftliches Miteinander gibt, das es so nirgenwo anders gibt. Hier spielt beispielsweise der Hilfsarbeiter gemeinsam mit dem Generaldirektor Fußball. (Oh du schöne deutsche Gemütlichkeitsutopie! die k.) Der Verein ist für jeden offen und bildet eine offene Gemeinschaft. Kurse in Fitneß-Studios werden letzten Endes nur für Leute gleichen Zuschnitts angeboten. Geschlossene Gemeinschaften sind in gewisser Weise auch Volkshochschulgruppen, von denen wir wissen, daß sie an einer Öffnung oft gar nicht interessiert sind. Im Verein wäre das überhaupt nicht denkbar.

Wie sieht es denn bei den freien Gruppen aus?

Unter freien Gruppen nach der Auffassung der AL können wir uns gar nichts vorstellen. Sind das die freien Gruppen, die sich im Tiergarten mit 15 Leuten zum Knödeln treffen und dann im Winter Hallenzeiten haben wollen? Das kann doch nicht Auffassung des Staates sein, freie Gruppen mit Vereinen gleichberechtigt zu behandeln.

Gibt es schon konkrete Pläne in bezug auf die Hallenvergabe?

Nein, nur auch hier nur Absichtserklärungen. Wir müssen uns aber von vornherein gegen solche Absichtserklärungen wehren, damit wir nachher nicht vor einer Lawine stehen. Inzwischen haben wir uns mit Herrn Kuhn wenigstens verständigt, daß der organisierte Jugendsport bei der Hallenvergabe Vorrang haben soll. Der Streit geht nun noch um die anderen Vereinsgruppen, die gleichberechtigt mit freien Gruppen behandelt werden sollen

Gäbe es nicht doch Möglichkeiten einer Einigung bei den Hallenzeiten, die alle Gruppen berücksichtigen würden. Könnte man nicht aus der Position der Stärke - der LSB hat immerhin 370.000 Mitglieder, die in 1.400 Vereinen organisiert sind - ein wenig mehr Toleranz gegenüber den freien Gruppen aufbringen?

Ich bringe viel Toleranz auf, nur darf es nicht an unsere Zeiten gehen. Ich spreche doch hier als Präsident eines Interessenverbandes. Ich bin nicht bereit auch nur einen Zentimeter von unseren Auffassungen abzurücken.

Sehen Sie sich jetzt in der Rolle einer außerparlamentarischen Opposition, und können Sie sich vorstellen, für Ihre Interessen auf die Straße zu gehen. Kann die AL damit rechnen, daß die Sportler eines Tages über den Ku-Damm ziehen? Welche konkreten Schritte planen Sie?

Wir werden das Gespräch mit den Fraktionen suchen. Wir haben intensive Kontakte mit dem Regierenden Bürgermeister gehabt. Bei Auseinandersetzungen werden wir die Hilfe des DSB in Anspruch nehmen. Die ist uns sicher. Ich könnte mir vorstellen, daß wir bei existentiellen Fragen auch auf die Straße gehen und demonstrieren werden.

Wollen Sie besonders auf die SPD setzen, um Ihre Belange durchzusetzen. Das böte sich doch an, schließlich muß die SPD doch auf die riesige Sportlobby Rücksicht nehmen?

Als Vetreter einer gesellschaftlichen Gruppierung muß ich auf den Gesamtsenat setzen. Das ist mein Partner. Ich werde Ihnen aber kaum alle Verhandlungsschritte verraten.

Wenn man Ihre Verlautbarungen der letzten Wochen anschaut, kann man den Eindruck gewinnen, daß Sie auch verbal eine Kampagne gegen die Sportpolitik des neuen Senats eingeleitet haben.

Es handelt sich noch um keine Kampagne. Wir sind aber auch nicht zurückhaltend. Auch auf Bundesebene sind die Auseinandersetzungen härter geworden. Wir befleißigen uns inzwischen im Sport einer härteren Sprache, weil sich die Fronten verhärtet haben.

Sie haben sich immer wieder für die Belange des Motorsports eingesetzt, obwohl bis weit hinein ins bürgerliche Lager diese Sportart für Berlin als sehr kritisch diskutiert wird.

Im LSB sind auch drei Motorsportverbände. Die Interessen dieser Verbände habe ich mitzuvertreten. Wir haben mit dem letzten Senat unter allergrößten Schwierigkeiten zwei Rennen auf der Avus vereinbart. Die Rennen wurden von sechs auf zwei herunterverhandelt, und dabei soll jetzt aber nun wirklich bleiben. Wir dürfen uns gar nicht erst auf die Argumentation einlassen, die besagt, wenn der Sport sich auf zwei Rennen runterhandeln läßt, dann kann man die auch noch streichen. Wenn ich da nachgebe und vom Prinzip abgehe, dann bricht schnell der Damm.

Gibt es für Sie nach den Diskussionen um die Tour de France und den Slalomlauf am Teufelsberg in bezug auf Sportveranstaltungen, die in Berlin stattfinden könnten, Prioritäten?

Privat würde ich sagen, daß ich z.B. auf Polo -Veranstaltungen durchaus verzichten kann. Polo wird sicher nur von einer kleinen, nicht ganz unbemittelten Gruppe von Liebhabern betrieben. Auch einen Ski-Slalom am Teufelsberg würde ich schon aus ökologischen Gründen nicht befürworten. Ich könnte mir vorstellen, daß man mit den Mitteln der Polo -WM andere Sportveranstaltungen sponsert.

Zum Beispiel? Eine Schwulen-Olympiade, wie Staatssekretär Kuhn es vorgeschlagen hat?

Herr Kuhn muß sich auch einmal den Haushalt ansehen und ihn lesen lernen. Ich darf Ihnen das so deutlich sagen.

Interview: Theo Düttmann