Wohnungsbau ja - aber nicht bei uns

■ In der Paul-Hertz-Siedlung sollen per Dachaufbauten 300 Wohnungen geschaffen werden / Bewohner protestieren / „Republikaner“ kochen ihr Süppchen

Im Prinzip will sie jeder - nur nicht vor seiner eigenen Haustür: Die 7.000 Wohnungen, die der Senat jährlich zu schaffen gedenkt, stoßen, kaum in der Planung, schon auf die erste Ablehnung. Vorreiter für zukünftige Auseinandersetzungen um neue Projekte im Wohnungsbau dürfte wohl der Zwist in der Charlottenburger Paul-Hertz-Siedlung sein, der die Gemüter von Anwohnern wie der Baugesellschaft GEWOBAG gleichermaßen erhitzt. Der Grund: Die vierstöckigen Häuser der Sechziger-Jahre-Siedlung sollen um eine Etage aufgestockt werden. 300 Wohnungen würden durch dieses innovative „Huckepack„-Projekt entstehen, argumentiert die GEWOBAG und will damit einen Beitrag zur Linderung der Wohnungsnot zu leisten.

Daß die Bewohner der Paul-Hertz-Siedlung ganz und gar nicht den Wohltätigkeitszweck in den geplanten Dachaufbauten sehen, das machen sie schon seit einigen Monaten deutlich. Auf einer Diskussionsveranstaltung gestern auf dem Schulhof der Helmuth-James-von-Moltke-Grundschule redeten sie sich ihr geballtes Leid von der Seele. Und damit die wohlgewählten Worte nicht hemmungslos an den Wänden der angrenzenden Turnhalle zerschellten, hatte der Mieterbeirat für geduldige Zuhörer gesorgt: Bausenator Wolfgang Nagel, der Charlottenburger Baustadtrat Claus Dyckhoff und Klaus Herrmann aus dem Vorstand der GEWOBAG standen den Betroffenen Rede und Antwort. Im Publikum hatte sich auch ein Vertreter der „Republikaner“ eingeschlichen, der damit glänzte festzustellen, daß seine Partei „nein“ zu der Dachaufstockung sage. Dem lautstarkten Beifall der Anwesenden konnte er sich damit getrost sicher sein: Fast 1.500 Mieter seien gegen die Dachaufbauten, verkündete die Vertreterin des Mieterbeirates Bohn. Viel zu spät hätten sie von der Plänen der GEWOBAG erfahren. Auch der ausgeschriebene Architektenwettbewerb wäre ohne die Mitentscheidung der Mieter über die Bühne gegangen. Über Alternativlösungen ließe sich allerdings reden.

Und das war das Stichwort für Bausenator Nagel: „Wir können doch nicht einfach sagen: Bei uns nicht! Irgendwo müssen die Wohnungen ja hin“, erklärte Nagel und lockte die verbitterten Senioren mit einem Zugeständis: „So ist der Plan nicht machbar und wird auch nicht gemacht!“ Wichtig sei die Beteiligung der Bewohner bei jeglicher baulicher Veränderung im Bezirk. An den Vertreter der „Republikaner“, Voss, gerichtet, erboste sich Nagel: „Nein zu sagen ist immer einfach.“ Vielmehr gelte es Lösungsmöglichkeiten zu finden, wie die Dachaufstockungen vielleicht doch machbar seien. Auch dem Argument, die Aussiedler und Asylanten wären schuld an der Wohnungsnot, machte Nagel energisch den Garaus: „Erst gehen gewisse Leute mit dem Staubsauger durch Osteuropa und erzählen jedem, wie schön es hier ist, aber, wenn es dann plötzlich nicht genügend Wohnungen und Arbeitsplätze gibt, dann sollen die Menschen ganz schnell wieder verschwinden.“

cb