10.000 Schwarze beerdigen Weißen

Die Beerdigung des weißen Aktivisten David Webster wurde zur größten Anti-Apartheid-Demonstration seit Verhängung des Ausnahmezustandes 1986  ■  Aus Johannesburg Hans Brandt

Die Beerdigung des in der vergangenen Woche ermordeten Aktivisten David Webster am Samstag war die wohl größte Anti -Apartheid-Demonstration in Südafrika seit Verhängung des Ausnahmezustandes im Juni 1986. Etwa 10.000 überwiegend schwarze Menschen folgten dem Sarg von der Trauerfeier in der anglikanischen Kathedrale im Zentrum Johannesburgs zum Friedhof in einem für Weiße reservierten Vorort. Prominente Oppositionsführer würdigten Websters Arbeit im Kampf für Menschenrechte im Apartheid-Staat. Alle Redner machten das Apartheid-System für Websters Tod verantwortlich. Die Fahne des verbotenen Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) und die Embleme des verbotenen Oppositionsbündnisses Vereinigte Demokratische Front (UDF) wurden in der Menge gehißt.

„Das Apartheid-System schafft ein Klima, das zum Tod von Menschen wie David Webster führt“, sagte Dr. Beyers Naude, ehemaliger Generalsekretär des südfarikanischen Kirchenrates. „Jeder, der dieses System unterstützt, ist mitverantwortlich für seinen Tod.“ Naude sah in der Trauerfeier selbst jedoch ein Hoffnungszeichen: „Hier wird ein weißer Mann begraben, aber die große Mehrheit derer, die zur Trauerfeier gekommen sind, sind Schwarze“, sagte der Geistliche. „Wann wird Gott die Augen der Weißen öffnen, so daß sie sehen, daß die Schwarzen bereit sind, sie mit offenen Armen in einem neuen Südafrika zu begrüßen?“ Unter den Gästen in der überfüllten Kathedrale befanden sich zahlreiche Diplomaten, Mitglieder des „Orlando Pirates„ -Fußballklubs aus Soweto, dem Webster angehörte, und Vertreter eines Dorfes im Zululand, wo der Anthropologe Webster ausführliche Forschungsarbeiten unternommen hatte.

Dr. Max Coleman, ein enger Mitarbeiter von Webster in der Arbeit mit politischen Häftlingen, die ohne Gerichtsverfahren festgehalten werden, betonte, daß Websters Tod die Zeichen eines im Detail geplanten und von Profis durchgeführten Attentats hatte. „Statt hinterher Belohnungen anzubieten, sollte die Polizei lieber die Aktivitäten dieser Todesschwadronen intensiv untersuchen“, sagte Coleman. „Und es gibt wohl keinen besseren Ort, um eine solche Untersuchung zu beginnen, als in den eigenen Reihen.“

Webster selbst hatte vor kurzem einen Bericht über mysteriöse Morde von Apartheid-Gegnern geschrieben. „Attentate sollen die Opposition gegen die Regierung kontrollieren, wenn alle anderen Methoden wie Verhaftung ohne Gerichtsverfahren oder Einschüchterung, gescheitert sind“, schrieb er. Mehr als hundert Aktivisten sind seit den siebziger Jahren solchen Attentaten zum Opfer gefallen.