„Hamburg kommt's? Ihnen auch?“

800 Jahre Hamburger Hafen - eine Realsatire / Niveau paar Meter überm Meeresspiegel / Über zwei Millionen Menschen waren dabei  ■  Aus Hamburg Ute Scheub

„Haste mal 'ne Mark für'n Hafengeburtstag?“ Ja, wir haben ja noch einen Bürgermeister, den Henning Voscherau, der sich einsetzen tut. Da stand er stramm auf der Titelseite des 'Hamburger Abendblattes‘, zusammen mit seinem Wirtschaftssenator Rahlfs, dem CDU-Fraktionschef Perschau und dem Vorsitzenden des „Ehrenkomitees zum 800. Hafenjubiläum“ Otto. Der vom Otto-Versand, ist ja schließlich 'ne kulturelle Einrichtung in Hamburg, genauso wie der Blödel-Otto, Kultur-Export, genau. Da stehen die vier also, und der Chefredakteur vom 'Abendblatt‘ liest ihnen vom Mund ab: „Diese vier Männer rufen alle Bügerinnen und Bürger auf: Schaut noch einmal ins Portemonnaie, überprüft noch einmal das Konto - bitte, gebt, was zu geben ist, von fünf Mark bis zu 500.000 Mark.

Programm auf Elbhöhen-Niveau

Das war im Februar. Inzwischen sind wir schon mittendrin im Hafenjubiläum, und das Geld dafür, immerhin 47 Millionen, ist immer noch nicht zusammen. Geiziges Volk, die Hamburger. Zur Strafe werden sie jetzt dreimal zur Kasse gebeten: als Steuerzahler, denn der Hauptanteil kommt aus dem Stadtsäckel, als Eintrittzahler bei den 170 Veranstaltungen im ganzen Jahr und als Spendenzahler. Das nenn ich reelle Kalkulation: Hamburg hat schließlich einen internationalen Ruf als Kaufmannsstadt zu verteidigen. Schließlich muß es für sein Renomee als Stadt von Welt was vorweisen. Aber da sind der Henning und die Festvorbereiter von der „Arbeitsgruppe 800 Jahre Hafen und Hamburg“ in der Wirtschaftsbehörde ja schwer progressiv, sie halten nichts davon, den Gegensatz zwischen Stadt und Land noch zu vertiefen. Im Gegenteil, sie wollen Provinz und Metropole wiedervereinigen. Die Akteure im provinziellsten Programm, das eine Millionenstadt je gesehen hat, sind strikt angehalten, das Niveau auf Elbhöhe paar Meter überm Meerespiegel, nicht zu überschreiten.

Patriotischer Taumel in der Hafenstraße

Denn feiern tun wir natürlich am Hafenrand. Der Eröffnungstag am Mittwoch, ach war der schön. Die Bundesmarine lief ein, und die Bundesgrenzschutz-Einheiten, und der Polizeichor und das Polizeiorchester. Und die Spielmannszüge spielten so richtig handfest. Eins, drei, klatsch, eins, zwei klatsch, hatten die dichtgedrängten Zuschauer immer einen Trommelstock in der Fresse. Und die Schiffe tuteten und die Feuerlöschboote spritzten ihre Fontänen und die Fallschirmspringer taten es ihnen nach, wenn sie statt auf die Pontons in der Elbe ins Wasser fielen. Selbst die Hafenstraße verfiel in patriotischen Taumel und böllerte zur Begrüßung der Bundeswehr -Schiffsparade drei Leuchtkugeln in den Himmel.

Im übrigen habe ich in diesen fünf Tagen Hafengeburtstag unglaublich viel über die Hamburger Wirtschaftskraft gelernt. Der Himmel war voll Ottos Ottifanten-Ballons und Fuji-Color und Bisotti-Spumanti und die Elbe voller Holsten und Astra und die sechs Kilometer lange Hafenmeile voller Landjäger und Feldjäger und Currywürste.

Aber nicht daß jemand denkt, daß heute schon alles zu Ende war. Hafenjubiläum ist schließlich das ganze Jahr. Gut, ein paar Sachen mußten ausfallen, weil Voscherau und das Ehrenkomitee aus Otto und Messerschmidt-Bölkow-Blohm und Uwe Seeler doch nicht genug zusammengekriegt haben. Zum Beispiel das Störtebecker-Epos. Aber ein Blick ins Programm zeigt deutlich, daß immer noch für jeden etwas geboten wird. Das „Theater der Welt“ oder die Windjammerparade „Sail 89“, aber auch solche Leckerbissen wie die Tagung der „Sachverständigengruppe der ECE für die Normung von Trockenfrüchten“, die Briefmarkenausstellung „Nordposta“ oder die Veranstaltung „Hundert Jahre Kommunalverein Groß -Borstel“ in der Frustbergstraße. „Dieses Konzept hat zur Voraussetzung gehabt“, schreibt die „Arbeitsgruppe 800 Jahre Hafen und Hamburg“ in ihrer Ankündigung zum „Jubiläumsjahr 1989 - ein Meilenstein für Hamburg“, „daß das Veranstaltungsprogramm nicht „Masse statt Klasse, sondern Masse gleich Klasse“ beinhalte. Dieses Ziel ist in hohem Maße erreicht worden.“ Auch das Motto der Arbeitsgruppe „Hamburg kommt. Sie auch?“ hat erfolgreich die Massen erfaßt. „So viel Touristen wie noch nie in Hamburg“, freut sich die patriotische Presse. Da können selbst die Alternativen, die sonst immer nur krähen und motzen, nicht beiseitestehen. Für den 9. Juni haben sie unter geringfügiger Abänderung des Mottos zu einer Jubelparade aufgerufen: „Hamburg kommt's. Ihnen auch?„%%