: MBB-Raketen nun auch in Rumänien
■ Deutsche Hilfe für Produktion von atomwaffenfähigen Mittelstreckenraketen für Ceausescu / MBB mischte mit
Berlin (taz) - Der West-Ost-Handel mit Raketentechnologie scheint sich prächtig zu entwickeln. Noch im April mochte es niemand so recht glauben, als Rumäniens Staats- und Parteichef Ceausescu erklärte, sein Land sei in der Lage, Atomwaffen zu bauen. Doch jetzt berichtet der 'Spiegel‘, in dem ausgepowerten Balkanstaat entstehe mit deutscher Hilfe eine Anlage zur Produktion von atomwaffenfähigen Mittelstreckenraketen des Typs Condor 2. Die Pläne für dieses Kriegsgerät stammen offenbar von den Friedensaposteln aus dem Hause Messerschmidt-Bölkow-Blohm (MBB). Gewohnt ahnungslos reagierte das Bundeswirtschaftsministerium am Wochenende. Man kenne solche Informationen nicht, aber eine Genehmigung für solche Lieferungen werde Bonn auf keinen Fall geben, schwor ein Sprecher.
Seit 1979 hatte MBB an den Raketen getüftelt, die mit atomaren Sprengköpfen versehen werden können. Ursprünglich dachte der westdeutsche Konzern nicht daran, den Warschauer Pakt mit den neuen Waffen zu beglücken. Mit Argentinien wollte er das Geschäft machen. Doch Bonn intervenierte und zwang MBB 1985 zum offiziellen Rückzug. Eine Tochterfirma lieferte weiter nach Buenos Aires, für das unterirdische „Nest der Condor“.
Unterdessen hatten zwei Länder im Nahen Osten sich für die westdeutsche Technologie interessiert. In Ägypten und im Irak entstehen derzeit Produktionsanlagen für die Condor -Raketen. Federführend beim Aufbau agiert eine internationale Firmengruppe mit dem Namen Consen, über die MBB bereits 1984 beteiligt wurde am Aufbau von Rüstungsforschungszentren in den beiden Ländern. Bei Consen handelt es sich dem 'Spiegel‘ zufolge um einen verschachtelten Haufen von Unternehmen in Österreich, der Schweiz und der Bundesrepublik. Und wie der Zufall es will, waren ehemalige MBB-Manager „von Anfang an“ bei Consen beschäftigt. Über verschlungene Pfade gelang es Consen später offenbar, Rumänien als vierten „Condor-Patenstaat“ zu gewinnen. In Argentinien sollen bereits zwei testfertige Mittelstreckenraketen stehen. In Ägypten und im Irak seien die Anlagen komplett, dort bereite man die „hot run tests“ vor, die Funktionsprüfungen von Maschinen und Geräten. „In Rumänien dürfte der Stand etwa dem im Irak gleichen“, schreibt der 'Spiegel‘.
Trotz ausgeklügelter Verschleierungspraktiken ist der Raketendeal weder Bonn noch Washington verborgen geblieben. So beruft sich der 'Spiegel‘ nicht allein auf Geschäftsunterlagen, Techniker und Geheimdienste. Das Blatt zitiert Regierungsbeamte vom Rhein, die befürchteten, aus Washington könnte „westdeutsche Raketenhilfe für den Warschauer Pakt“ aufgedeckt und so die Gesprächsatmosphäre für Gorbatschows Besuch bei Kohl vergiften.
peb
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