Hamadi-Anwälte fordern Jugendstrafe

VerteidigerInnen plädieren im Prozeß gegen den libanesischen Flugzeugentführer / Komplize soll Robert Stethem „unabhängig“ von der Entführung aus „Wut und Rache gegen Amerikaner“ erschossen haben  ■  Aus Frankfurt Heide Platen

Gleich zu Beginn des vorletzten Verhandlungstags gegen Mohamed Ali Hamadi stellte Jugendrichter Heiner Mückenberger gestern in Frankfurt klar, daß Entführungen jedweder Art keinen Einfluß auf sein Urteil haben werden. Er bezog sich damit auf das Verschwinden des Bundesdeutschen Markus Quint im Südlibanon.

Fast sechs Stunden lang plädierten gestern die VerteidigerInnen des wegen Flugzeugentführung und Mordes an dem amerikanischen Marinetaucher Robert Stethem angeklagten Libanesen Hamadi. Sie forderten eine „angemessene Jugendstrafe“ hierfür. Auch für den gleichzeitig zur Anklage gebrachten Sprengstoffschmuggel in die Bundesrepublik, bei dem Hamadi verhaftet worden war, legten sie sich nicht fest, sondern verlangten eine Strafe „im mittleren Bereich“. Rechtsanwalt Hans-Burkhardt Steck begründete dies unter anderem damit, daß Hamadi zur Tatzeit, am 14. Juni 1985, gerade einen Tag lang 21 Jahre alt gewesen sei. Das Alter des Angeklagten, das bis heute umstritten ist, wisse dieser selber nicht. Die Eltern seien der Meinung, er sei noch zwei Monate jünger. Alle anderen im Laufe der Verhandlungen aufgetauchten Daten seien noch fragwürdiger. Wolle das Gericht Hamadi als gerade Erwachsenen verurteilen, bitte er um die in diesem Falle gesetzlich mögliche Milderung „bei schwerster Kriminalität“. Dann hätte Hamadi statt einer Jugendstrafe von fünf bis zehn Jahren eine Freiheitsstrafe bis zu 15 Jahren zu erwarten.

Steck sagte, sein Mandant sei sich „seiner Schuld bewußt“. Seine Beteiligung an der Entführung, bei der er zusammen mit einem Komplizen 143 Passagiere und acht Besatzungsmitglieder auf einem Irrflug zwischen Beirut und Algier mehrere Tage lang festhielt, sei nicht ohne seinen gesellschaftlichen Hintergrund zu sehen. Er verwies auf das Schicksal der Familie Hamadi, die im krisengeschüttelten Libanon schwere Verluste hatte hinnehmen müssen. Hamadi selbst sei im Kampf schwer verletzt worden. Seine Tat, die mit der Freilassung von über 700 Schiiten aus israelischer Haft endete, sei dort als Heldentat gefeiert worden. Sein Versuch, sich vor seiner Rückkehr in den Libanon im Saarland eine neue Familie aufzubauen, sei gescheitert. Um so stärker habe er sich - in den Libanon zurückgekehrt - religiös engagiert. Es habe für ihn, auch wenn er damals wußte, daß seine Tat strafbar sei, keinen Weg gegeben, den Befehl seiner religiösen und militärischen Führer zu verweigern. Auch habe er keine persönlichen Vorteile von der Tat gehabt.

Rechtsanwältin Gabriele Steck-Bromme hatte sich am Vormittag einer akribischen Beweiswürdigung gewidmet. Sie kam zu dem Schluß, Hamadi sei nur der Befehlsempfänger seines Komplizen gewesen. Der andere Entführer habe Robert Stethem erschossen, mehrere amerikanische Marinesoldaten und Passagiere schwer mißhandelt, sämtliche Verhandlungen geführt und die Kommandos gegeben. Indiz dafür sei ein Mitschnitt des Gesprächs zwischen diesem und dem Tower in Beirut.

Sie rügte, daß das Gericht keinen einzigen der arabisch sprechenden Zeugen aus dem Flugzeug gehört habe und daß das FBI wichtiges Beweismaterial nur bruchstückweise zur Verfügung gestellt habe. Die Aussagen der betroffenen ZeugInnen seien größtenteils nicht verwertbar, weil sie widersprüchlich und durch die damals hohe psychische und physische Belastung verfälscht seien.

Die Tatbeteiligung Hamadis führte Hans-Burkhardt Steck am Nachmittag aus, beschränkte sich nur auf die von ihm auch gestandene Entführung. Den Mord habe er nicht gewollt. Er sei, unabhängig von der Entführung, auf das Konto des Komplizen zu verbuchen. Der habe aus „Wut und Haß gegen die Amerikaner“ gehandelt.

Einen von Zeugen gehörten Wortwechsel in arabischer Sprache interpretierte er dahin, daß sein Mandant versucht habe, seinen Komplizen an den tödlichen Schüssen zu hindern. Die Beweisaufnahme habe ergeben, daß Stethem jedenfalls nicht erschossen wurde, um der Forderung nach Treibstoff Nachdruck zu verleihen. Das Urteil gegen Hamadi wird für den 17. Mai erwartet werden.