Tierschützer ab in den Knast

■ In aller Stille wurde ein 25jähriger Kriegsdienstverweigerer in den Knast gesteckt, weil er nichts mit Tierversuchen zu tun haben wollte / Jetzt Zivildienstplatz beim ASB, aber keine Haftentlassung

Fabian Lichte ist Vegetarier, für den es „das schlimmste Verbrechen ist, wie Menschen mit Tieren umgehen“. Fabian Lichte ist Kriegsdienstverweigerer, und Fabian Lichte verbüßt seit dem 23. März eine siebenmonatige Haftstrafe im Bremer Knast. „Vielleicht bin ich religiös, vielleicht gehöre ich zu einer Sekte, die es gar nicht gibt“, sagt ein blasser Fabian Lichte im Besuchsraum des Gefängnisses. Genau diese eigene Moral, die er in seinen 25 Lebensjahren entwickelt hat, hat ihn hinter die Knastmauern gebracht.

Denn Fabian Lichte mochte partout nicht dem Einberufungsbefehl des Bundesamtes für den Zivildienst nachkommen. Die Kölner Behörde hatte den Tierschützer in eine Lungenklinik bei Rothenburg/Wümme geschickt und dort, so entnahm Lichte einem Prospekt, werden auch Tierversuche durchgeführt. „Ich mochte kein Helfershelfer sein, auch wenn ich vielleicht nur Handlanger gewesen wäre“, sagt er heute. Die Folge: Ein Verfahren wegen eigenmächtiger Abwesenheit vor dem Bremer Amtsgericht. „Ich erdulde das, was ihr mit mir macht“, dachte sich Lichte damals und erschien ohne Rechtsanwalt vor Amtsrichter Gerboth, Major der Reserve, wegen seines Feldwebeltons und seiner Urteile, die oft über den Anträgen der Staatsanwaltschaft lie

gen nicht nur bei Totalverwei gerern berüchtigt. „Sonderbar anmutende Ausführungen“ attestierte der am 30. Juni 1988 dem Kriegsdienstverweigerer und verurteilte ihn zu sieben Monaten Haft, ausgesetzt drei Jahre zur Bewährung. Der nächste Einberufungsbefehl des Kölner Bundesamtes ließ nicht lange auf sich warten: „Wir sind nicht bereit, ihren sonderbaren Vorstellungen Rechnung zu tragen“, schrieb das

Amt und schickte Lichte erneut in die Lungenklinik. Als der sich auch dieses Mal weigerte, mahnte das Bundesamt die Aufhebung der Bewährung an, und Amtsrichter Gerboth erfüllte den Wunsch umgehend.

„Das hätte verhindert werden können“, bedauert Rechtsanwalt Günter Werner, nicht früher eingeschaltet worden zu sein. Aber hätte nicht Richter Gerboth aus Fürsorge dem alles hinnehmen

den Angeklagten einen Pflichtverteidiger beiordnen müssen? „Das macht Gerboth nicht“, weiß Werner aus Erfahrung. „Lichte war das ideale Opfer für ihn.“ Und Lichte selbst hat von dem Amtsrichter den Eindruck behalten: „Der wollte mich fertig machen.“

Immerhin: Dank der Hilfe eines Bremer Pastors konnte Lichte inzwischen eine andere Zivildienststelle nachweisen: Am 1.

Juli kann er im Behinderten transport beim Arbeiter Samariter Bund anfangen. Der ASB war sogar bereit, Lichte sofort einzusetzen, aber die Gefängnisleitung winkte ab: Erst wenn der offizielle Dienst beginnt, darf er als Freigänger tagsüber aus dem Knast. Ab Mitte August, wenn zwei Drittel der Haftstrafe verbüßt sind, kommt eine Entlassung infrage. „Die Anstaltsleitung sagt immer: 'Wir tun alles für Sie.‘ Aber was hat die Anstalt davon, daß ich hier Gras harke“, fragt sich Lichte, „wahrscheinlich tun die nicht mehr als ihre Pflicht.“

In der Anstalt selbst ist Lichte „enorm schnell aufgestiegen“. Schon nach vier Wochen durfte er aus der geschlossenen Anstalt in den offenen Vollzug. Der Vorteil: Dreimal im Monat darf er für 24 Stunden aus dem Knast. Dazu kommen im gleichen Zeitraum noch dreimal 10 Stunden. Doch noch bevor er seinen Zivildienst jetzt antreten kann, droht neue Unbill aus den Amtsstuben: Die Staatsanwaltschaft hat ein weiteres Verfahren eingeleitet, weil er dem Zivildienst ferngeblieben sei, um sich dauerhaft zu entziehen. Was die Bremer Justiz damit nun wieder meint? Die Dienstverweigerung, als Lichte im Herbst 1988 zum zweiten Mal einer Einberufung in die Lungenklinik mit dazugehöriger Tierversuchsanstalt nicht nachkam.

Holger Bruns-Kösters