Streik in Brasilien spitzt sich zu

■ Polizei schießt auf demonstrierende Arbeiter / Massive Entlassungen in den Zweigwerken der Konzerne VW und Mercedes / Mercedes-Management verfügt die Aussperrung der gesamten Belegschaft statt Lohnauszahlung / Arbeiter verlangen Lohnerhöhung

Berlin (taz) - Die Streiksituation im brasilianischen Sao Bernardo hat sich verschärft. Während einer Demonstration in der Industriemetropole bei Sao Paulo wurden fünf Arbeiter, darunter ein Mercedes-Arbeiter und drei Beschäftigte des brasilianischen VW-Zweigwerks, durch Schußwaffeneinsatz zum Teil schwer verletzt. Die beiden deutschen Konzerne gehen gleichzeitig mit massiven Entlassungen gegen die Streikenden vor. Für den letzten Montag, einen Tag vor der turnusmäßigen Lohnauszahlung, hat das Mercedes-Management eine Totalaussperrung der Belegschaft verfügt. Das härtere Vorgehen der Unternehmer ist offenbar eine Antwort darauf, daß die Gewerkschaftsmitglieder in Sao Bernardo am letzten Dienstag auf einer von 50.000 Streikenden besuchten Versammlung das Angebot der Arbeitgeber auf 45Prozent Lohnerhöhung abgelehnt haben. Die Gewerkschaft fordert als Ausgleich für die horrende Inflation eine Lohnerhöhung von 84 Prozent und zusätzlich 15 Prozent effektive Lohnerhöhung. In einigen Branchen haben die Unternehmer einem Abschluß zugestimmt.

Die Demonstration am vergangenen Freitag zum Toyota -Zweigwerk in Sao Bernardo hatte das Ziel, die bisher nicht am Streik beteiligten Belegschaften des japanischen Autokonzerns und zweier kleinerer Metallfirmen zum Streik aufzufordern. Diese Aktion war erfolgreich.

Bei Auseinandersetzungen vor den Werkstoren wurden jedoch die fünf Arbeiter angeschossen. Schon am Donnerstag hatte es auf dem Gelände des Mercedes-Werks Handgreiflichkeiten mit kurzfristig angeheuerten Streikbrechern gegeben.

Das Mercedes-Management nahm dies zum Anlaß, insgesamt 87 Beschäftigte zu entlassen, die zum Teil während der Ereignisse überhaupt nicht im Werk waren. Die Aktion des Unternehmens zielt offenbar auf die aktiv im Streik engagierten Gewerkschafter, darunter zwei Mitglieder des Arbeitsschutzes Cipa, die gesetzlichen Kündigungsschutz genießen. Außerdem hat das Management gegen drei Mitglieder der Fabrikkommission, vergleichbar mit den deutschen Betriebsräten, Entlassungsanträge vor dem Arbeitsgericht angestrengt. Die Totalaussperrung der Belegschaft am Montag soll nach Ansicht der Gewerkschaften eine Erpressungssituation aufbauen: Nur wer die Arbeit wieder aufnimmt, bekommt sein Geld.

Das VW-Management hat 100 Beschäftigte aufgrund der Streikaktivitäten entlassen. Außerdem wird der gesamten Fabrikkommission der Zutritt zum Werk verwehrt. Auch bei Ford, mit VW zum südamerikanischen Superkonzern Autolatina vereinigt, sind 31 Streikende entlassen worden.

marke/cs