Aus Bonn keine Mark für Ortega

■ Kohl lehnt die Wiederaufnahme der Entwicklungshilfe für Nicaragua ab / Weitere Bedingungen gestellt / Ortega zeigt sich diplomatisch zufrieden / Indianerführer Brooklyn Rivera kritisiert Sandinisten

Bonn/Berlin (taz) - Nicaraguas Präsident Daniel Ortega verließ gestern Bonn mit leeren Händen. Bundeskanzler Kohl hat eine Wiederaufnahme der Entwicklungshilfe abgelehnt. Nicaragua habe es selbst in der Hand, die politischen Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme der Finanzhilfe zu schaffen, meinte der Kanzler lakonisch und forderte „echte Chancengleichheit“ für die Opposition bei den für Februar 1990 angekündigten Wahlen, die Freilassung der noch inhaftierten Contras und Ex-Nationalgardisten sowie die Erfüllung der vertraglich zugesicherten Demokratisierung. Ein Hohn auf die Tatsachen: Vor zwei Wochen hat Nicaragua gerade ein neues Wahlgesetz verabschiedet, das der Opposition keinerlei Beschränkungen auferlegt, das auch keine Fünfprozentklausel kennt und allen Parteien die gleiche Sendezeit für Werbespots im Fernsehen zugesteht. Außer etwa einem Dutzend Ex-Nationalgardisten, die von einer OAS-Kommission als besonders grausame Folterknechte eingestuft worden waren, sind sämtliche, rund 1.900 Nationalgardisten vor einem Monat auf freien Fuß gesetzt worden. Und bislang scheitert der Friedensprozeß in Mittelamerika vor allem daran, daß Honduras vertragswidrig die Contra-Basen nicht auflöst. Zudem verlangt Kohl auch eine Erklärung von Nicaragua, wie es seine Schulden in Höhe von 85 Millionen DM aus früheren Finanzhilfen zu begleichen gedenke. Noch vor Kohl hatte Bundespräsident Weizsäcker mit Ortega „in großer Offenheit“ eine Diskussion über Demokratisierung und Menschenrechte geführt. Im übrigen traf sich Ortega mit Außenminister Genscher und Entwicklungsminister Warnke, der im Juni nach Nicaragua zu reisen versprach. „Der Dialog auf höchster Ebene zwischen der Bundesregierung und Nicaragua ist eröffnet worden. Allein dies ist das wichtigste Ereignis.“ So antwortete Nicaraguas Staatspräsident Ortega gestern in Bonn auf die Frage, ob Kanzler Kohl und Außenminister Genscher ihm die Gewährung von Entwicklungshilfe zugesagt hätten. Er sei zufrieden mit den Gesprächen, sagte der Staatspräsident kurz. Das Ziel seiner Reise habe er zu 100 Prozent erreicht. Und die Gewährung der Entwicklungshilfe stelle eben einen noch offenen Punkt dar. Der offene Punkt allerdings war das wichtigste Anliegen von Ortegas Reise in die Bundesrepublik. Am Montag hatte es aus dem Auswärtigen Amt sogar geheißen, bei der Verwirklichung des Abkommens der mittel amerikanischen Staaten Costa Rica, Honduras, Nicaragua, El Salvador und Guatemala von 1987 seien ermutigende Schritte zur Befriedung Mittelamerikas zu vermerken. Allerdings müsse jetzt weiter darüber nachgedacht werden, was noch zu unternehmen sei, damit die Vorraussetzung für eine Wiederaufnahme der Bonner Hilfe für Nicaragua gegeben ist. Auf die Bedingungen Kohl zur Wiederaufnahme Fortsetzung S.2

der Entwicklungshilfe angsprochen, schlug Ortega vor, diese nicht bis zu den Wahlen hinauszuzögern. Das Abwarten stehe nicht in Einklang mit dem Demokratisierungsprozeß. Die Bundesregierung solle seinem Land jetzt helfen, und dann, im Februar 1990 sehen, ob Nicaragua seinen Versprechungen nachkomme.

Festgelegt hat sich die Bundesregierung gegenüber Ortega auch in einem weiteren wichtigen Punk offensichtlich nicht: Sie hat keine Teilnahme an einer Konferenz diese Woche in Stockholm zugesagt, auf der über finanzielle Soforthilfen für

das wirtschaftlich ausgeblutete Land entschieden werden soll. Sämtliche skandinavischen Länder, Italien, Spanien, Frankreich, die Niederlande, Japan und selbst IWF haben bereits eine formelle Zusage nach Schweden geschickt.

Parallel zu dem Besuch Ortegas in Bonn hatte sich ein paar Stunden zuvor auch einer der Indianerführer Nicaraguas, Brooklyn Rivera, vor Journalisten geäußert: Die nicaraguanische Regierung mißachte die legitimen Interessen der indianischen Bevölkerung in Nicaragua sagte Rivera. Die Bemühungen seiner Regierung, Fehler, die sie in der Indianerfrage gemacht hatte, zu beseitigen, erwähnte er dabei nur am Rande. Bevor Ortega sich in Bonn den Fragen der JournalistInnen stellte, hielt er eine Ansprache vor ungefähr 150 Leuten, die sich zu ei

ner Solidaritätskundgebung im Bonner Regierungsviertel versammelt hatten.%%

Ferdos Forudastan/Thomas Schmid