Neu im Kino

■ Bombay - Straßenkinder im Moloch

Bombay, das ist der indische Moloch, in dem knapp fünf Millionen Menschen um ihre Ernährung kämpfen. Manchen gelingt dies recht passabel, den meisten weniger gut. Vor und hinter den Plakatfassaden, die den bröckelnden Putz mühsam zu verdecken suchen, leben Tagelöhner, Prostituierte, Teeverkäufer, Lumpensammler und Kinder eng zusammen. Besonders die Kinder haben es schwer. Oftmals von ihren Familien auf dem Land davongelaufen, schlagen sie sich auf den Straßen der Großstadt durch und dort schlafen sie auch.

Diese Kulisse hat die indische Dokumentarfilmerin Mira Nair benutzt, um in ihrem Spielfilmdebut die Straßenkinder zum Mittelpunkt ihrer Kinogeschichte zu machen. Salaam Bombay verfolgt den Werdegang des jungen Krishna (Shafiq Syed), der vom Lande kommend in der Millionenmetropole etwas Geld verdienen will. Das Bemerkenswerte an dieser indischen Produktion ist dabei die völlige Abkehr von den heimischen Filmtraditionen. Keine pittoresken Hochglanzbilder tanzender Darsteller, nicht einmal die üblichen folkloristischen Zutaten. Die Schaupieler sind zum großen Teil Laien, die, direkt von der Straße geholt, sich selbst spielen.

Als TeeverkäuferInnen, TellerwäscherInnen, RückenmasseurInnen, AusmisterInnen, DrogenkurierInnen und auch als TotenträgerInnen verdingen sich die jungen Menschen. Kinder als Ware, unter Umständen auch als zu deflorierende Opfer männlicher Lüste. Dies alles zeigt Mira Nair mit sichtlichem Bemühen um Authentizität und es wirkt nach. Sandi Sissels Kamera fährt durch heillos übervölkerte Straßenzüge, durch Bordelle und Bahnhöfe, und immer wieder über Gesichter. Wie kleine Erwachsene wirken die Kinder, eingereiht in die Sub-Ordnungen des Überlebenskampfes. Von Drogen dahingerafft, vom Messer tödlich getroffen oder ganz einfach von der Polizei in Heime verbracht, gehören eine Reihe der Charaktere in Salaam Bombay zu den Verlierern des Überlebens pokers.

Aber mit annähernd zwei Stunden ist Nairs Kinowerk zu lang. Die Synchronisation ist darüber hinaus eine Frechheit. Deutsch, das als Hindi herhalten muß, Englisch und Originalhindi wechseln sich beliebig ab, Untertitel hätten mit Sicherheit Wunder bewirkt. Zudem durchweht den gesamten Film ein depressiver Fatalismus, zuweilen recht aufdringlichkeit.

„Was passiert ist, ist passiert, mach‘ Dir nichts draus“, heißt es an einer Stelle. Offensichtlich passiert es immer noch, deshalb sollten wir ZuschauerInnen uns im sicheren Europa eine ganze Menge draus machen. Trotz kleiner Makel. J.F.Sebastia

Cinema, 21.00 Uhr