„Masaniello Furioso“ nur wunderschön

■ Reinhard Keisers deutsche Barockoper, uraufgeführt 1706 am Hamburger Gänsemarkt, zum zweiten Male uraufgeführt im Rahmen der „pro musica antiqua“ in Bremen / Wunderschön gesungen, nur ohne die Opulenz des Opernlebens von damals

„O dass dieser höllische von schnöder Lust und Geilheit immer brennende Feuerfluss und mit den Bluthschand angefeuerte Babelische Venusofen, von denen angezündet, welche man ins gemein vor kluge Leuthe zu halten pfleget, endlich einmahl widerumb möchte gelöschet werden!“ So heftig verdammte der Hamburger Pfaffe Anton Reiser 1682 die Oper. Die damalige.

Vor fast 300 Jahren, 1706, wurde die deutsche Barockoper „Masaniello Furioso“ von Reinhard Keiser an der Hamburger Oper am Gänsemarkt uraufge

führt. Was jetzt in der Kirche Unser Lieben Frauen dank pro musica antiqua als zweite Uraufführung zu uns kam, war diese Oper und doch etwas anderes.

Anders als damals ist die Aufführung schon grundsätzlich: Dazumal wurde Oper als fruchtiges optisches Ereignis zur Untermalung der Musik dargeboten, mit viel Klamauk an allen Bühnenecken und -enden, mit einer ausgereiften Faszination für die unglaublichen Möglichkeiten der Bühnenmaschinen und eben auch mit Musik, die man jedoch in den erläuternden Rezitativ-Passagen

nebenherplätschern ließ, um dem eigentlichen Sinn des geselligen Ereignisses Oper nachzugehen, der Geselligkeit: Gespräch, Speis und Trank und um dann in den wichtigen Teilen, bei den Arien, die geneigte Aufmerksamkeit wieder gegen die Musik zu richten und kräftig nach Wiederholung zu klatschen und gröhlen. „Da Capo“ - noch einmal, just wie eine 'Da Capo-Arie‘, wovon die Barockopern und auch „Masaniello Furioso“ voll sind.

Die Aufführung der Barockoper in der Bremer Kirche ist etwas ganz anderes, nix opulentes Bühnenbild, nix Barockoper, gar nix Inszenierung. „Konzertante Aufführung“ nennt man so etwas, die SängerInnen stellen sich hinter die Aufzeichnungsmikrofone und singen und wenn die Partitur sagt „Tacet“, dann setzen sie sich still in den Hintergrund. Die wirre

Handlung der Oper über adlige Liebesschwadronaden und die Sinnlosigkeit sinnvoller Volksaufstände wird in dieser Vortragsweise nicht deutlich, weshalb ich mir ihre Nacherzählung erspare.

Trotz der historischen Instrumente an den Lippen und Schul

tern der MusikerInnen also eine gänzlich unhistorische Atmosphäre bei der historisierenden Aufführung in der Kirche, drei Stunden konzentriert geheuchelte Aufmerksamkeit, drei Stunden verbogen in den christlichen Büßerbänken, drei Stunden dem bürgerlichen Kunstbegriff gehul

digt, den es zur Zeit der Barockoper so nicht gab, drei Stunden gehören dem 'Schönen, Wahren, Guten‘.

Schön ist es aber wirklich, schön feierlich, alle in schwarz und frisch gewaschen und schön auch die Musik, harmonienschön, im einschmeichelnden akustischen Klang der hölzernen Instrumente, abwechslungsreich gestaltet, von solo geführten Melodien auf der Oboe (der Beginn), über schmeichelnde Blockflötensätze, oktavparallel mitgespielte Gesangspartien, Rezitativi auf Laute und/oder Cembalo, über dynamische Orchestereinsätze bis zum großen Finale, dem Crescendo, wo tutti (auch der sonst recht verschwiegene Chor) noch einmal zu Klangmasse kommen dürfen.

Untadelig schnörkelos

Dabei begnügte sich Reinhard Keiser (vielleicht auch, unter dem Druck der Hamburger Verhältnisse, wo das zwar sehr gut ausgestattete bürgerliche Opernhaus sich aus finanzieller Knappheit und unfeudaler pfeffersäckischer Sparsamkeit nicht leisten konnte, teure Kastraten und KoloraturensängerInnen anzukaufen) mit einer wunderschön unprätentiösen und schnörkellosen Schreibweise, die sich fernab hypervirtuoser Mätzchen als eine spröde Klarheit bezahlt macht. Und singen resp. spielen, das können sie die Orchestermusiker mit ihren obskuren Instrumenten so gut wie die SängerInnen, daran gibt es nichts zu rütteln. ste