Kremser und Freiluft-Doppeldecker

■ Umweltverwaltung hat für geplante Sperrung der Havelchaussee unkonventionelle Ideen in der Schublade, warnt aber vor übereilter „Schnellschußaktion“

Panikartig verschwindet das große braune Wildschwein, dessen fetter Hintern eben noch den Radweg blockierte, wieder raschelnd im Unterholz neben der Havelchaussee. Die Uhr zeigt weit nach Mitternacht, doch immer wieder zischen an dem verwunderten Radler Privat-Pkw vorbei. Diesmal ist es ein Manta, der mit seinen voll aufgeblendeten Doppelscheinwerfern Tier und Mensch erschreckt. Keine Frage: Das vom alten Senat 1985 verhängte „Nachtfahrverbot“ auf der Havelchaussee kann nicht verhindern, daß auch nach Mitternacht noch unbefugt Fahrzeuge in die Straße einfahren.

Derartige Verkehrsverstöße soll es nach der geplanten Totalsperrung der Havelchaussee nicht mehr geben. Die Umweltverwaltung will jetzt untersuchen lassen, ob die jeweiligen Enden der Waldstraße nicht mit elektronischen Schranken dichtgemacht werden können. Anlieger oder BVG -Busfahrer könnten diese nach Einstecken eines kleinen Mikrochips öffnen. Indes warnt man in der Verwaltung vor einer übereilten Sperrung, bevor nicht ein stimmiges Gesamtkonzept zur Schließung auch anderer Waldstraßen und zum Problem des Transports der Ausflügler vorliegt. Ein Verkehrsplaner: „Wir wollen eine in der Öffentlichkeit schlecht verkaufbare Schnellschußaktion vermeiden. Lieber machen wir im Sommer erst einen symbolischen Versuch.“ Der Hintergrund: Indirekt zeiht die konkurrierende Verkehrsverwaltung Senator Wagners, phantasielos mit alten Konzepten von 1985 zu hantieren und in Sachen Havelchaussee ungebührlich auf die Tube zu drücken.

Dabei haben die rot-grünen Vordenker bei der Umweltverwaltung schon jede Menge an neuen Ideen für eine autolose Havelchaussee auf Lager: So wäre es eine „Riesenattraktion“, wenn die BVG bei schönem Wetter oben offene Doppeldeckerbusse einsetzte. Verwiesen wird auf das Beispiel englischer Seebäder, wo derartige Gefährte zum Gaudi der Gäste rollen. Ergänzende Angebote zum Transport: Fahrrad-Rikschas, ein Fahrradanhängerverleih und von Pferden gezogene „Kremser„-Wagen. Der Sprecher der „Interessengemeinschaft des Fahrsports in Berlin“, Horst Lammert, der der AL ein entsprechendes Angebot machte: „So auf Anhieb können wir vier Kremser mit 20 bis 50 Sitzplätzen auf jedem Wagen stellen. Unsere Vorstellung wäre, daß man vielleicht für drei Mark pro Person den Transport übernimmt.“ Den wegen erwarteter Umsatzeinbußen schon auf die Barrikaden gegangenen Restaurantbesitzern an der Havel möchte die Umweltverwaltung einen privaten Zubringerdienst für ihre Gäste vorschlagen. Last but not least sollen Erholungssuchende ein besseres Angebot der Fahrgastschiffahrt vorfinden.

thok