Druck des Sachzwangs ist Schicksal

■ Senat baut weiter am Virchow-Klinikum / AL beugt sich „Sachzwängen“ / AL-Gesundheitsexperten: „Schwarzer Mittwoch“ / Folgekosten ungeklärt

Einvernehmlich hat der Senat gestern den Weiterbau des umstrittenen Universitätsklinikums Rudolf-Virchow (URVK) beschlossen. Aus „Rücksicht auf die Koalition“ habe sie sich entschieden, den Beschluß mitzutragen, erklärte die AL gestern. Man habe sich dem „Druck der Sachzwänge“ beugen müssen, hieß es. Die AL halte jedoch die Entscheidung, die alte Krankenhausplanung des CDU-Senats weiterzuverfolgen, nach wie vor für falsch. Dadurch werde die im Koalitionspapier vereinbarte Gesundheitspolitik im Kern vernichtet.

Als schwarzen Mittwoch für die Gesundheit der Stadt bezeichnete der Gesundheitsbereich der AL den Senatsbeschluß: Diese „Nacht-und-Nebel-Aktion der SPD“ könne zu einer Schicksalsfrage der Koalition werden. Die AL müsse sich überlegen, wie sie künftig mit solchen Entscheidungen umgehe.

Eine Revision des Projekts sei finanzpolitisch nicht vertretbar gewesen, begründete Gesundheits- und Sozialsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) die Entscheidung. Sie sei dem Senat sehr schwer gefallen. Gemäß den Koalitionsvereinbarungen hatten die zuständigen Senatsverwaltungen geprüft, ob der Umzug des Uniklinikums Charlottenburg in den Wedding und der Umbau des Rudolf -Virchow-Krankenhauses in ein Universitätsklinikum der Freien Universität noch rückgängig gemacht werden könnte. Alle möglichen Varianten seien diskutiert worden, erklärte Wissenschaftssenatorin Barbara Riedmüller-Seel. Grundlegende Planungsänderungen hätten jedoch die Zuschüsse des Bundes in Höhe von 425 Millionen Mark gefährden können, über die der Wissenschaftsrat bis zum 12.Mai entscheiden wird. Nach Ansicht der AL hätten jedoch die bislang noch gar nicht exakt kalkulierten Mehrkosten für den Landeshaushalt unter Umständen den Verzicht auf die Bundesmittel gerechtfertigt.

Die AL kritisierte außerdem, daß eine aktuelle Hochrechnung der zu erwartenden Folgekosten in der kurzen Zeit nicht zu erstellen gewesen sei. Bislang sind bereits 135 Millionen Mark verbaut worden. Die Gesamtbaukosten werden auf rund 1,3 Milliarden Mark geschätzt und liegen damit bereits 500 Millionen Mark über den ursprünglich angenommenen Kosten. Nach Aussagen von Senatorin Riedmüller-Seel hätte der Erhalt von zwei selbständigen Krankenhäusern eine jährliche Mehrbelastung von 140 Millionen Mark für den Landeshaushalt bedeutet.

Zur Beruhigung der Koalitionsparteien kündigte der Senat flankierende Maßnahmen an, durch die die gesundheitspolitischen Vorstellungen von SPD und AL verwirklicht werden sollen. Zu diesem Zweck soll auf Wunsch der AL eine Arbeitsgruppe eingerichtet werden.

-guth