Der Flug der Seele

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(Momoko, Dienstag, 9. Mai, 22.10 Uhr, ZDF) Der Kranich ist das Symbol der Seele, er fliegt hoch am Himmel, weit über den Niederungen des irdischen Daseins. Wie ein Kranich zog auch dieses kleine Fernsehspiel über die Erwartungen des Betrachters hinweg. Keine Studie über das Elend einer ausgebeuteten Japanerin in Düsseldorf, auch kein Actionfilm, in dem ein japanischer Detektiv die zarte Schöne befreit. Momoko, die Titelfigur, taucht nur am Rande auf. Die eigentliche Geschichte ist die des jungen Deutschen, Roman, der nach jahrelangem Japanaufenthalt in die Bundesrepublik zurückkehrt und seine Identität sucht. „Wenn man im Ausland lebt, sucht man bald nach Leuten seiner Sorte“, sagt ein in Düsseldorf lebender Japaner. Aber zu welcher Sorte gehört Roman? Er spricht zwar perfekt japanisch, aber verstehen kann er diese Menschen trotzdem nicht.

Eigentlich passiert nichts in diesem Film. Und dennoch ist er von einer inneren Spannung, die Nachdenken hinterläßt. Lange ruhige Sequenzen, wie sie in den frühen Wim-Wenders -Filmen zu sehen waren, eine Stimme aus dem Off, wie von Alexander Kluge, der gegen die scheinbare Eindeutigkeit der Bilder anspricht. Das Märchen vom Bauern und dem Kranich wird erzählt, während Roman durch Düsseldorf zieht, mit dem japanischen Detektiv in einer Bar versumpft, Momoko in der Anwaltskanzlei, in der er arbeitet, begegnet und versucht mit den fremden Menschen, die ihm in Japan selbst viel vertrauter gewesen zu sein schienen, in Kontakt zu kommen. Das Märchen erzählt, daß der Bauer versucht, hinter das Geheimnis seiner schönen Frau zu kommen, die Stoffe aus dem Nichts webt und aus einem unerschöpflichen Beutel Reis hervorzaubert. Nur eine Bedingung muß der Bauer erfüllen: Er darf niemals in das Zimmer kommen, in dem die Frau ihre Arbeit macht. Die Neugier des Bauern ist jedoch größer als sein Vertrauen. Und als er in das Zimmer tritt, verwandelt sich seine Frau in einen Kranich und fliegt davon.

Es ist nicht wichtig, zu ergründen, was hinter den Dingen und den Menschen steckt. Verstehen ist nur dann möglich, wenn man das Unverständliche akzeptiert. Die Botschaft des Films ist kein deutsches Hinterfragen, sondern japanisches In-Ruhe-Lassen. Der Kranich hat seinen Sinn in sich selbst und nirgends sonst.

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