Der schnelle Abgang einer Lesbengruppe

Weil im Münchner Frauenprojekt KOFRA Lesben aktiv sind, drohte das Finanzamt mit Entzug der Gemeinnützigkeit / Lesben stecken zurück, um das Projekt nicht zu gefährden / Politik für die „Gleichstellung aller Lebensformen diene nicht der Allgemeinheit“, befand die Finanzbeamtin  ■  Aus München Luitgard Koch

Wie jedes Jahr schickten die Frauen des Münchner Kommunikationszentrums für Frauen zur Arbeitssituation e.V., kurz KOFRA genannt, ihren Tätigkeitsbericht ans Finanzamt. Eine Routineangelegenheit. Weit gefehlt. Ein Schreiben aus dem Finanzamt belehrte sie eines Schlechteren. „Aus dem Tätigkeitsbericht ist zu entnehmen, daß sich innerhalb des Vereins eine sog. Lesbengruppe gebildet hat, die den Forderungskatalog des bundesweiten Lesbenrings unterstützt“, stellte die Finanzprüferin und Oberregierungsrätin, Dettmer vom Finanzamt München für Körperschaften darin zunächst fest. Dieser Umstand jedoch gab der Frau Oberregierungsrat zu denken. Die politische Forderung nach Gleichstellung aller Lebensgemeinschaften überschreite ihrer Ansicht nach „den Rahmen dessen, was im Einkommenssteuergesetz mit Gleichstellung von Männern und Frauen bezeichnet ist“, teilte sie den Frauen mit.

Der Satzungszweck des Vereins sei mit dieser „Tätigkeit überschritten“. Aber auch eine Satzungserweiterung sei keine Lösung für den gemeinnützigen Verein. Denn: „Die Gleichsetzung aller Lebensgemeinschaften bedeutet von der Zielsetzung her keine Förderung der Allgemeinheit.“ Ob ein Verein die Allgemeinheit fördere, sei abhängig von der herrschenden Staatsverfassung, sozial-ethischen und religiösen Prinzipien, der bestehenden geistigen und kulturellen Ordnung sowie den Wertvorstellungen und Anschauungen der Bevölkerung, wußte Frau Dettmer. Und ebenso war ihr klar, daß diese Allgemeinheit einem solchen Verein, der die Anerkennung der lesbischen Lebensform durchsetzen will, „überwiegend ablehnend gegenüber steht“. Fazit: Gemeinnützigkeit ade.

Großzügigerweise schlug sie jedoch den Frauen einen faulen Kompromiß vor. „Ausgliedern“ oder ganz einstellen, sollten sie den Lesbenarbeitskreis, falls ihnen die Gemeinnützigkeit lieb und teuer sei. Dann könnte man nocheinmal darüber reden. Frauen ließen sich erpressen

Die Frauen waren zunächst wie vor den Kopf geschlagen. Eine Mitfrauenversammlung wurde einberufen. Die Frage, ob frau sich auf diesen Kompromiß einlassen soll, heiß diskutiert. „Ich fand das Ganze erst mal lächerlich. Dann war ich halt wütend“, erzählt Inge Karle vom Arbeitskreis Lesbenpoltik. Jedoch: Die öffentliche Förderung - das Projekt erhält Sachmittel und Planstellen von der Stadt München - stand nach Ansicht der Frauen auf dem Spiel. Dieses Risiko wollten sie nicht eingehen. Einstimmig ließen sie sich den Kompromiß aufzwingen. „Das Projekt sollte nicht gefährdet werden“, versucht Annette Stehr von KOFRA den Entschluß zu erklären. „Es gibt noch andere Sachen, die uns auch politisch wichtig sind, deshalb haben wir erst mal zurückgesteckt“, so die 37jährige. An das Finanzamt schrieben die KOFRA-Frauen, daß sich der AK Lesbenpolitik „verselbständigt“ habe.

Doch auch diese Unterwerfung wurde nicht entsprechend honoriert. Die Quittung kam prompt. Nach dem Motto Strafe muß sein, erhielt der Verein diesmal nur für ein Jahr die Gemeinnützigkeit. Normalerweise wird sie für drei Jahre ausgestellt. „Das ist auch wieder eine Schikane“, so Annette Stehr.

Der Arbeitskreis Lesbenpolitik bekam somit die Diskriminierung von Lesben, die er durch seine Arbeit abbauen wollte, selbst zu spüren. Gegründet hatten ihn die Frauen vor knapp einem Jahr. Anlaß dazu war unter anderem das rigorose englische Gesetz „Clause 28“, wonach keine kommunalen Mittel für Homosexuelle und Lesbenvereine zur Verfügung gestellt werden dürfen und überhaupt das Thema ob an Schulen oder in der Öffentlichkeit - zum Tabu erklärt wurde. „Damals haben wir nicht daran gedacht, daß es Probleme geben wird“, meint Inge Karle nachdenklich. Aber Taubenzüchter

sind „gemeinnützig“

Die Wut allein über die erfahrene Schikane war den Frauen jedoch zuwenig. Dem Bundestag liegt nämlich derzeit das sogenannte Vereinsförderungsgesetz zur Beratung und Beschlußfassung vor. Durch eine Änderung der Abgabenordung sollen jetzt sogar Taubenzucht- und Karnevalsvereine die Gemeinnützigkeit erhalten. Aus Anlaß dieser Novellierung schrieb der Lesben-Arbeitskreis an alle weiblichen Abgeordneten des Bundestags sowie an den dafür zuständigen Finanzausschuß. „Da der Umgang mit Minderheiten der Prüfstein für eine demokratische und pluralistische Gesellschaft ist, halten wir es für unverzichtbar, daß Vereinen von Lesben die Gemeinnützigkeit grundsätzlich zuerkannt wird“, gaben die Frauen in ihrem Schreiben zu bedenken.

Die Reaktionen waren unterschiedlich. „Als Mitglied des Finanzausschusses will ich trotz allem inneren Widerstreben auf ihr Schreiben antworten“, so der CDUler Karl Fell. Die „These“, daß der Arbeitskreis gemeinnützigen Zwecken diene, hält der Konservative jedoch schlicht für „absurd“.

Etwas differenzierter äußerte sich sein Parteifreund und Vorsitzender des Ausschusses, Michael Glos. „Die Bundesregierung hat (...) die Auffassung vertreten, daß Vereine von Lesben als gemeinnützig anerkannt werden können, wenn sie im Einzelfall ausschließlich gemeinnützige Zwecke verfolgen“. Damit brachte der CDU-Mann jedoch klar zum Ausdruck, daß so dem einzelnen Beamten ein Ermessenspielraum eingeräumt wird und er nach Gutdünken entscheiden kann.

Auf dieses Dilemma wies die SPD-Bundestagsabgeordnete Renate Schmidt in ihrer Antwort hin. Vehement sprach sie sich dagegen aus, daß sich die Finanzämter von Stadt zu Stadt unterschiedlich entscheiden können. „Während in Bremen oder Nordrhein-Westfalen die Anerkennung als gemeinnützig bereits heute erfolgt, sind in Bayern und Baden-Württemberg Anerkennungen kaum bekannt“, so die SPD-Frau. Sie versprach den Frauen ebenso wie eine Vertreterin der Grünen sich für die Aufnahme einer entsprechenden und klarstellenden Passage in das Gesetz einzusetzen. In einem Antrag an den Bundestag fordern die lesbischen Frauen unter Nummer 5 des Gesetzes den Zusatz „die Förderung von Bestrebungen, die geeignet sind, Diskriminierungen gleichgeschlechtlicher Lebensformen abzubauen“.