THTR-Betreiber versuchen Erpressung

Finanzpoker um „Auslaufbetrieb“ und Stillegung des Hochtemperaturreaktors in Hamm-Uentrop / Betreiber verlangen Sofortgenehmigung für Ahaus / Regierungssprecher: „Ich muß zugeben, die Lage ist unklar“  ■  Aus Düsseldorf J. Nitschmann

Den zur Abwendung eines drohenden Konkurses beim Thorium -Hochtemperaturreaktor (THTR) 300 zwischen Bund, Land und Betreibern ausgehandelten Vertrag über einen „geordneten“ Auslaufbetrieb des Atommeilers in Hamm-Uentrop bis Ende 1991 sowie seine anschließende Stillegung wollen maßgebliche THTR -Gesellschafter wieder kippen.

Wie der taz gestern - einen Tag nach der Gesellschafterversammlung der Hochtemperaturreaktor GmbH (HKG) - zuverlässig bekannt geworden ist, haben die THTR -Teilhaber der von der Düsseldorfer SPD-Landesregierung mit dem Bund ausgehandelte Vereinbarung in entscheidenden Punkten (insbesondere, wo es um finanzielle Forderungen geht) widersprochen und eine Reihe zusätzlicher Bedingungen für eine „geordnete Beendigung“ des THTR-Prototyps gestellt.

Die nordrhein-westfälische Landesregierung zeigte sich von dieser Entwicklung überrascht: „Ich muß zugeben, die Lage ist unklar“, sagte Regierungssprecher Müller-Reinig am Mittwoch.

Zugleich forderte der Regierungssprecher die Gesellschafter des THTR auf, die verabredete Vereinbarung „in vollem Umfang zu akzeptieren“. Die HKG habe sich offensichtlich „auf einen Poker“ eingestellt. Dies werde die Regierung Rau allerdings nicht mitmachen: „Wir können keinen Schritt weitergehen als in diesem Vertragsentwurf“, sagte dazu Müller-Reinig.

Gleichzeitig mußte der Rau-Sprecher indessen einräumen, daß die Landesregierung keinerlei Möglichkeit habe, um die THTR -Gesellschafter zur Einhaltung des vorliegenden Vertragsentwurfs zu zwingen. Trotz des neuen Konflikts gehen Beobachter davon aus, daß Wirtschaftsminister Jochimsen (SPD) die Wiederinbetriebnahme des THTRs in den nächsten vier Wochen ohne gravierende Auflagen und Reparaturen genehmigen wird.

Die von Bund und Land als Voraussetzung für die geordnete Stillegung verlangte Bilanzrückstellung der HKG in Höhe von 80 Millionen Mark für den Einschluß der Atomanlage ist nach Informationen der Grünen in Nordrhein-Westfalen auf der Gesellschafterversammlung am Dienstag am Widerspruch der Stadtwerke Aachen gescheitert. Einig waren sich die Gesellschafter hingegen darin, maximal 20 Prozent der auf 425 Millionen Mark geschätzten Kosten für Einschluß und Abbruch des Atomreaktors mitzutragen: Sie forderten deshalb von Bund und Land einen Verzicht auf bereits geleistete Darlehenszahlungen in der Größenordnung zwischen 450 und 500 Millionen Mark. Darüber hinaus verlangen die THTR-Betreiber als weiteren Bestandteil des Stillegungsvertrags offenbar die (sofortige) Genehmigung für das atomare Zwischenlager in Ahaus und auch für die geplante Transportbereitstellungshalle in Hamm-Uentrop.

Nach Darstellung der nordrhein-westfälischen Grünen hat das Wirtschaftsprüfungsinstitut „Treuarbeit“ den Gesellschaftern des THTR angesichts einer derzeitigen Verschuldung von 256 Millionen Mark „die Anmeldung des Konkurses nahegelegt“. Ein Konkurs der HKG läßt sich laut „Treuarbeit“ nur umgehen, wenn sich während der Auslaufphase des THTRs an etwa 600 Vollasttagen rund 250 Millionen Mark aus der Stromproduktion erlösen ließen, was kaum möglich erscheint. Der Physiker Lothar Hahn vom Ökoinstitut Freiburg bezeichnete die bevorstehende Wiederinbetriebnahme des THTRs unter den derzeitigen Sicherheitsvoraussetzungen als „unverantwortlich“: Es sei zu befürchten, daß selbst die notwendigsten Nachrüstungen und Reparaturarbeiten nicht mehr ausgeführt würden. Kommentar auf Seite 8