„Die AL ist erpreßt worden“

Der Gesundheitsexperte der AL Johannes Spatz zum Weiterbau des Rudolf-Virchow-Klinikums  ■ I N T E R V I E W

taz: Die Entscheidung über den Weiterbau des Universitätsklinikums Rudolf Virchow ist gefallen. Hat die AL sich von der SPD über den Tisch ziehen lassen?

Johannes Spatz: Offensichtlich wurde hier mit dem Hinweis auf den Bestand der Koalition von der AL eine Zustimmung erpreßt.

Welchen gesundheitspolitischen Stellenwert hat die Entscheidung, das Klinikum weiterzubauen?

Dies ist wahrscheinlich die wichtigste Entscheidung, die Frau Stahmer für die nächsten vier Jahre gefällt hat, denn hier wird nicht nur die größte Finanzmasse bewegt, sondern es werden auch die Weichen gestellt für eine Fortsetzung der High-Tech-Medizin von Herrn Fink.

Was hält die AL denn von den angekündigten flankierenden Maßnahmen und dem Versprechen Stahmers, daß der Senat weiterhin versuchen werde, ein stadtteilnahes Versorgungsangebot zu entwickeln?

Ich denke, daß diese Maßnahmen Augenwischerei sind. Die wichtigste Entscheidung ist gefällt, und da kann man durch flankierende Maßnahmen kaum etwas verändern. Man muß auch mal umgekehrt fragen, wieviel Hunderte von Millionen Mark der Senat für den Aufbau dieses Mammutprojektes in Zukunft bezahlen muß. Mit diesen Geldern hätten wir locker dezentrale Strukturen aufbauen und den Pflegenotstand in Berlin beseitigen können.

Einerseits sagt ihr, ihr tragt den Entschluß mit, andererseits haltet ihr den Weiterbau nach wie vor für falsch. Kann die AL sich nicht entscheiden?

In Zukunft müssen wir, um überhaupt noch glaubwürdig zu bleiben, von solchen Hü-und-Hott-Aussagen Abstand nehmen. Die wichtigen Entscheidungen, die in der Vergangenheit gelaufen sind, sind nach einem ständig wiederkehrenden Ritual abgespult worden. Das war bei der Hausbesetzungsfrage, das war bei Bush und beim RVK der Fall. Ich meine, daß wir lernen müssen, keine hastigen Kompromisse zu schließen, sondern Standfestigkeit zu zeigen.

Interview: Frauke Langguth