Für eine billige Prachtstraße in Tiergarten

■ Die BewohnerInnen der Lehrter Straße wehren sich gegen den Ausbau von Containerbahnhof und baufälligem Poststadion In einer Diskussionsveranstaltung mit Politikern aus dem Bezirk ging es auch um den Erhalt der Häuser Lehrter Straße 50 und 51

Die Angst vor den Häuserspekulanten ist nicht nur auf Kreuzberg beschränkt: Die BewohnerInnen der Lehrter Straße in Moabits nordöstlicher Hemisphäre befürchten den Rammbock schon seit längerem und stemmen sich mit mehr oder weniger Vehemenz dagegen. Am Dienstag abend hatte die Bürgerinitiative für eine billige Prachtstraße aus diesem Grund zu einer Diskussionsveranstaltung eingeladen. Die Organisatoren hatten auch die Tiergartener Politprominenz sowie Vertreter von Umwelt- und Bausenat ins Kasino des Poststadions an der Lehrter Straße geladen. Volker Liepelt, Exabgeordneter der CDU, und der SPD-Abgeordnete Friedrich Thielmann, die sich in stetem Konkurrenzkampf um die Redezeit ereiferten, glänzten vor allem durch eines: Solidarität mit den BewohnerInnen. „In der Lehrter Straße muß es verstärkten Einsatz von Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen geben“, erklärte Liepelt, wobei Thielmann sich gleich mit der Forderung nach sofortigem Abrißstopp für die beiden Häuser Lehrter Straße 50 und 51 anschloß. In Nr.50 waren nach einem Brand sämtliche Mieter ausquartiert und in einem Alterswohnheim untergebracht worden. Seitdem steht das Haus leer.

Ein weiterer Problempunkt, den die rund 100 anwesenden Betroffenen zur Diskussion stellten, war der Umbau des baufälligen Poststadions. Nach Plänen des alten Senats sollen die alten Anlagen abgerissen werden und statt dessen ein reines Fußballstadion mit 25.000 Plätzen entstehen. Außerdem sind im Umfeld der Lehrter Straße rund 1.650 Parkplätze sowie eine sogenannte Stadionallee, die durch die Gärten der anliegenden Häuser führen soll, geplant. Die BewohnerInnen der Lehrter Straße befürchten dadurch umfangreiche Blechlawinen und Besucherströme, die ihre ruhige Idylle am Rande des Gewerbegebietes Moabit zerstören. Dazu der SPD-Abgeordnete: „Wir werden prüfen, inwieweit hier nicht Kosten verringert werden können. Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten müßten eigentlich reichen.“ Auch der Vertreter des Umweltsenats Müller-Stühler erklärte, daß im Sinne des wertvollen Baumbestands und der Denkmalpflege ein Abriß des Poststadions verhindert werden müsse. „Modernisiert werden muß aber in jedem Fall, denn die Fußballer brauchen ein vernünftiges Stadion“, setzte sich Liepelt für die Kicker ein. Im übrigen sei das Stadion aber auch für den Breitensport zu öffnen.

Also alles kein Problem? Nicht ganz. Als weiteren Grund für zukünftige schlaflose Nächte sähen die AnwohnerInnen den zentralen Containerbahnhof, der zwischen Lehrter- und Heidestraße entstehen soll, so Susanne Torka von der BI. „Da ist kaum noch was rückgängig zu machen“, bedauerte Thielmann und verwies darauf, daß der CDU/FDP-Senat schon im vergangenen Jahr mit der DDR Verhandlungen über Gebietsnutzungen getätigt hatte. Ganz im Gegensatz zu einigen seiner Parteikollegen setze er sich jedoch für eine dezentrale Lösung mit mehreren Bahnhofsstandorten ein.

Für eine wirksame Vertretung ihrer Interessen fordern die BewohnerInnen eine Stadtteilkommission Tiergarten Nord sowie die Einrichtung eines Mieterladens in der Lehrter Straße. „Vor vier Jahren haben wir uns hier zum letzten Mal getroffen, seitdem treten wir auf der Stelle“, zog einer der BIler Resümee. Sein Rat: „Jetzt muß endlich mal was passieren, nicht immer nur in Kreuzberg!“

cb