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Turbulenzen in Berlins Äther

■ Radio 103 geht - Radio 100 kommt / Tagesschau-Chef Röhl Favorit als RIAS-Intendant

Die Berliner Radiokonsumenten sind ab Juni um einen Kommerzsender ärmer: Radio Hit 103, das sich seit Dezember 1987 mit dem Alternativsender Radio 100 auf einer Frequenz tummelt, packt ein. Die Geschäftsführung von Hit 103, an dem die Medienkonzerne Holtzbrinck, Springer, RTL und UFA Film und Fernseh-GmbH mit jeweils 22,5 Prozent, sowie das Berliner Anzeigenblatt 'Zweite Hand‘ mit zehn Prozent, beteiligt sind, begründete den Rückzug mit dem „wirtschaftlich nicht tragbaren Frequenzsplitting“. Gemünzt ist diese Kritik auf den Berliner Kabelrat, der Hit 103 im Dezember 1987 das Kuckucksei Radio 100 ins Nest legte. Der Alternativsender mit seinem Programm von täglich 17 bis 23 Uhr arbeitete seitdem gehörig an dem großen Unterschied zur seichten Welle a la Springer und Konsorten. Deren Feststellung nach eineinhalbjähriger Nachbarschaft auf gemeinsamer Frequenz: Die Teilung der Frequenz mit einem anderen Sender verhindere ein Radioprogramm aus einem Guß. Eine Bindung der Hörer sei deshalb nie möglich gewesen. Deshalb sei der Geschäftsführung nur noch die Aufgabe des Sendebetriebs geblieben.

Eindeutiger Gewinner im Gerangel um die Sendezeiten dürfte jetzt Radio 100 sein. Schon seit längerem fordert die Alternativwelle, die seit zweieinhalb Jahren im Äther mitmischt, ein Programm rund um die Uhr. Teilten sich die Radio-100-Redakteure noch im ersten Jahr ihres Bestehens die Frequenz mit dem Bauherrenradio des Ulrich Schamoni Radio 100,6, wurden sie, als der Häuserspekulant für seinen Sender ein Vollprogramm forderte, rigoros vom Kabelrat aus dieser Frequenz gekickt und auf 103 Megahertz befördert.

Zur Belohnung erhielten die Alternativfunker zwei Stunden mehr Sendezeit. Nun wolen sie die ganze 103-Frequenz übernehmen. „Die Chancen sind gut, daß wir die freie Sendezeit ab Juli bekommen“, erklärte Radio 100 -Geschäftsführer Thomas Timme gegenüber der taz. „Schließlich hat der Kabelrat angedeutet, daß er keine weitere Frequenzteilung will.“ Interessiert seien sie an einem Vollprogramm vor allem wegen der Sendezeiten morgens und mittags. „Wir finanzieren uns bisher zu zwei Dritteln aus Werbung, wofür die abendliche Sendezeit ziemlich ungünstig ist“, so Timme. Ziel des Senders sei es, sich zu hundert Prozent aus Werbung zu finanzieren. „Das ist mit der werbeträchtigen Zeit am Vormittag eher zu erreichen“, teilte Timme mit. Geld für den Start eines 24-Stunden-Programms sei vorhanden. Auch mit den räumlichen und personellen Voraussetzungen gäbe es keine Probleme. Kopfzerbrechen bereite allenfalls die Programmstruktur, denn: „Daß wir so schnell die Aussicht auf mehr Sendezeit bekommen, damit haben wir nicht gerechnet.“ Zwar hätten sie schon seit Monaten von den Problemen des Hit 103 gewußt, die Vorbereitung eines Vollprogramms nähme jedoch viel Zeit in Anspruch, erklärte der Radio-100-Geschäftsführer. Wenn der Kabelrat die Sendezeit an Radio 100 vergäbe, würden deshalb in der ersten Sendephase überwiegend Musikblöcke und Vorproduziertes das tägliche Programm bestücken. „Natürlich machen wir auch weiterhin informatives Radio und halten an unserem bisherigen Konzept fest“, so Timme.

Seit September 1987 bietet Radio 100 sechs Stunden täglich eine Alternative zur simplen Berliner Ätherkost. Sendungen, wie das Nachrichtenmagazin Welt am Draht, das Schwulenradio Eldoradio, sowie der Frauenfunk Dissonanzen haben sich erfolgreich etabliert. Mehr ideeller denn gewinnträchtiger Natur ist das Engagement der Radio 100-MacherInnen. Ihr Gehalt ist bislang unter dem Stichwort „Aufwandsentschädigung“ zu verzeichnen und beläuft sich, je nach finanzieller Bedürftigkeit, auf ein paar hundert Mark.

Christine Berger

Berlin (ap) - Der Chefredakteur der Nachrichtensendungen der ARD (Tagesschau, Tagesthemen), Henning Röhl, hat gute Chancen, neuer Intendant des Berliner RIAS zu werden. Der Sprecher des Rundfunks im Amerikanischen Sektor, Biso Deussen, sagte am Mittwoch, Röhl sei unter den Favoriten. Über die Berufung des RIAS-Intendanten entscheiden zwei Aufsichtsbeamte des amerikanischen Informationsbüros USIA in Abstimmung mit Washington und dem Bundeskanzleramt in Bonn. Röhl gilt als der CDU nahestehend.

Die Tageszeitung 'Die Welt‘ berichtete am Mittwoch, die Entscheidung für Röhl sei bereits gefallen. Bundesregierung und Amerikaner hätten sich auf ihn geeinigt. RIAS-Sprecher Deussen erklärte, dies könne er nicht bestätigen. Röhl sei zwar einer der Favoriten, doch würden noch mit einer Reihe von Kandidaten Gespräche geführt. Frühestens in 14 Tagen werde eine Entscheidung fallen. Auf der Liste der beiden USIA-Beamten stünden die NDR-Chefredakteurin Ulrike Wolf, der frühere Berliner Kultursenator Volker Hassemer, NDR -Washington-Korrespondent Peter Staisch und die Vorsitzende des Rundfunkrats des Senders Freies Berlin (SFB), Gabriele Wiechatzek. Der früher als aussichtsreicher Kandidat gehandelte ehemalige Bonner Regierungssprecher Friedhelm Ost sei nicht mehr auf der Liste.

Die Mitgliederversammlung der IG Medien im RIAS appellierte an die Amerikaner, den Intendantenposten nicht zu einer „eingeplanten Durchgangsstation für Aufsteiger, einer Parkposition für politische Absteiger oder einer Statthalterposition einer Interessengruppe zu machen“. Die RIAS-Mitglieder übergaben ihre Resolution noch am Dienstag abend den Amerikanern. Darin heißt es, Namen wie Ost, Staisch, Wolf oder Röhl hätten die Mitarbeiter alarmiert: „Wenn es zu einer Entscheidung für einen dieser Kandidaten kommen sollte, so könnte es bei uns zu einer ähnlichen Polarisierung wie im SFB kommen.“ Dort hatten einen Tag nach der Wahl des neuen Intendanten Günther von Lojewski 300 Mitarbeiter gefordert, der Journalist vom Bayerischen Rundfunk solle seinen Posten erst gar nicht antreten.

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