Schwedische Skandalchronik

■ Flugabwehrraketen, Panzerfäuste, Gewehre und Munition gingen über die „Singapur-Connection“ auch in die Krisengebiete am Golf

Im Dezember 1979 und Februar 1980 verkaufte die schwedische Waffenfabrik Bofors über den Umweg Singapur 300 Flugabwehrraketen des Typs „Robot 70“ illegal in die Golfstaaten Dubai und Bahrain. Das Exportverbot für Waffen in Krisengebiete umging das Bofors-Management mit doppelten Lieferverträgen. Eine Untersuchungskommission aus Vertretern des öffentlichen Lebens („Medborgarkommission“) fand später heraus, daß über die Singapur-Connection seit Anfang der siebziger Jahre auch jede Menge Gewehre und Munition nach Taiwan und Thailand gelangt sind. Unter der Bezeichnung „Bahrain II“ fand die Kommission außerdem Pläne für „Robot„ -Lieferungen an den Iran.

Beim zweiten großen illegalen schwedischen Waffendeal, dem sogenannten „Schießpulver-Komplex“, wurde dagegen auch die damals kriegführenden Iran und Irak ausreichend bedacht. Zwischen 1981 und 1985 tätigte die Munitionsfabrik Nobel Kemi - wie Bofors eine Tochter des Konsortiums Nobel AB etwa 120 illegale Transaktionen für umgerechnet 50 Millionen Mark. Knapp die Hälfte der Einnahmen kamen von den Golf -Kriegern: 21 Millionen Mark für gelieferte 1.300 Tonnen Munition und Sprengstoff.

Gerade eine DIN-A4-Seite benötigte der Verkaufsdirektor der Nobel Kemi, Mats Lundberg, um darzustellen, wie man die staatlichen schwedischen Kontrollinstanzen mit Ausfuhranträgen für Drittländer wie Jugoslawien oder Österreich foppt. Die interne Handlungsanweisung endet mit dem Satz: “...und dann: alle glücklich und zufrieden.“

Lundberg und sein Mittelsmann, der schwedische Unternehmer Carl-Erik Schmitz, wurden Ende Februar von der Anklage des illegalen Waffenexports gerichtlich freigesprochen. Die Begründung des Gerichts: Es sei nicht Pflicht des Exporteurs, sondern der Aufsichtsbehörde, sich über den tatsächlichen Endabnehmer zu vergewissern - ein Schuldspruch für die Regierung.

In dem dritten großen Skandal-Komplex schließlich ging zunächst alles mit rechten Mitteln zu. Im April 1986 sicherte sich Bofors einen Auftrag über die Lieferung von 400 155-mm-Haubitzen des Typs „FH 77 B“ im Wert von umgerechnet 2,3 Milliarden Mark. Ein Jahr später berichtete der schwedische Rundfunk, daß sich Bofors dieses Geschäft 250 Millionen Kronen an Bestechungsgeldern an hochstehende indische Politiker hat kosten lassen. Diese Summe jedenfalls hat Bofors als „Liquidationen“ gekennzeichnet über Schweizer Bankkonten an indische Agenten weitergeleitet. (Nicht mehr als die üblichen Spesen in einem solchen Geschäft, behauptet Bofors.) Mehr wurde aus einem von der Stockholmer Regierung in Auftrag gegebenen Untersuchungsbericht nicht bekannt möglicherweise, um den ermordeten Ministerpräsidenten Palme zu schonen, der zwei Monate vor Geschäftsabschluß bei seinem Staatsbesuch in Indien für Bofors geworben hatte. Auch das indische Parlament, das ebenfalls einen Untersuchungsausschuß eingesetzt hatte, bekam den Bericht nicht zu sehen.

Endlich wurde auch das Prunkstück schwedischer Waffentechnologie, die Panzerfaust „Carl-Gustav“ (benannt nach dem schwedischen König) aus der staatlichen Waffenschmiede FFV an nahezu allen Kriegsschauplätzen des Nahen und Mittleren Ostens angetroffen. „Der wirkliche Umfang der illegalen Waffenlieferungen wird wohl nie ans Licht kommen“, vermutet in Schweden nicht nur der Friedensforscher Agrell.

guk