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Signal gegen Bücherverbrennung

Demonstration der BuchhändlerInnen gegen faschistische Bücherverbrennung 1933 und Brandanschlag auf Buchladen 1989 / Multikulturelles Podium gegen Rassismus  ■  Aus Frankfurt Heide Platen

So viele BuchhändlerInnen und Verlagsmenschen waren seit den längst vergangenen Hochzeiten des Verbandes Linker Buchhändler (VLB) nicht mehr beieinander. Rund 600 zogen am Mittwoch abend durch die Frankfurter Innenstadt zur Kundgebung auf dem Römerberg. Zusammengebracht hatte sie an diesem 10.Mai nicht nur der Jahrestag der faschistischen Bücherverbrennung 1933, sondern auch ein Brandanschlag vom 18. März dieses Jahres gegen die fast 20 Jahre alte linke Karl-Marx-Buchhandlung. Sie war, gerade neu eröffnet, Ausgangspunkt der Demonstration. Auf dem Römerberg warnte Barbara Determann für die „Karl Marx“ dennoch davor, beide Ereignisse gleichzusetzen: „Die Bücher, die bei uns verbrannt sind, können heute an der nächsten Ecke noch verkauft werden.“

Der Schriftsteller Valentin Senger war Augenzeuge der Bücherverbrennung 1933 auf dem Frankfurter Römerberg. „Lärmen und Gröhlen“ sei da gewesen, „wie bei einer Volksbelustigung“. Tausende von Menschen seien hinter einem mit Büchern beladenen Ochsenkarren hergelaufen. Senger: „Ich habe sie gesehen, die deutsche geistige Elite, zum Autodafe auf dem Römerberg.“ 80 Prozent der Professoren und Dozenten marschierten vorneweg. Die Menge jubelte, sang faschistische Lieder. Der Pfarrer der Universität hielt, im wahrsten Sinne des Wortes, die Brandrede.

Die an die Kundgebung vom Mittwoch anschließende Diskussions- und Musikveranstaltung richtete sich vor allem gegen den wachsenden Rassismus in der Bundesrepublik. Der libanesische Schriftsteller Jusuf Naoum erzählte ein Märchen, der Spanier Heleno Sana las aus seinem Buch Die verklemmte Nation - Zur Seelenlage der Deutschen. Der Gewerkschafter Jakob Moneta belegte anhand der deutschen Geschichte, daß der Schritt von der Bücher- zur Menschenverbrennung nur klein sei. Kulturdezernent Hilmar Hoffmann hielt eine Rede, und der neue multikulturelle Dezernent Daniel Cohn-Bendit rief dazu auf, für einen türkischen Laden zu spenden, der vor kurzem ebenfalls Opfer eines Brandanschlags wurde.

Die Vertreterin der „Interessengemeinschaft mit Ausländern verheirateter Frauen“ warnte davor, Rassismus nur mit Aufklärung und Literatur entgegenzutreten. Den größten Beifall erhielt die Kabarettistin Hilde Wackerhagen: „Nazis raus? Ja, wohin sollen die denn?“ Und: „Multikulturell, das heißt jedenfalls mehr als ausländische Küche!“

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