Spaltung der Anti-WAA-Bewegung verhindert

Der „Dachverband der Oberpfälzer Bürgerinitiativen“ erwog den Ausstieg aus der bundesweiten Anti-WAA-Demo in München am 3. Juni / Streit um Statement von Ingrid Strobl / Vertreter der Anti-AKW-Bewegung befürchtet deren „Sozialdemokratisierung“  ■  Von Bernd Siegler

Nürnberg (taz) - Während das Jahrhundertbauwerk im Taxöldener Forst hinter den Kulissen langsam zu Grabe getragen wird, zofft es gewaltig in der Widerstandsbewegung. So ist die Schwandorfer Bürgerinitiative gegen die WAA und damit die bayerische Anti-WAA-Bewegung knapp an einer Spaltung vorbeigerutscht. Erst nach mehrwöchigem Streit konnte ein gemeinsamer Aufruf von Anti-WAA-Initiativen, BUND, Friedensgruppen, Grünen und anderen Gruppierungen für die Demonstration „Gegen Atomprogramm und Repression - Keine WAA“ am 3.Juni in München sichergestellt werden. Ursprünglich hatte der „Dachverband der Oberpfälzer Bürgerinitiativen“ beschlossen, sich an der bundesweiten Demonstration nicht zu beteiligen. Grund: Der Dachverband, in dem neun Bürgerinitiativen zusammengeschlossen sind, wollte ein auf der Demo zu verlesendes Statement von Ingrid Strobl nicht akzeptieren. Die Mehrheit des Trägerkreises bestand jedoch darauf, daß die Stellungnahme der derzeit in Düsseldorf wegen angeblicher Mitgliedschaft beziehungsweise Unterstützung der „Revolutionären Zellen“ vor Gericht stehenden Journalistin den Redebeitrag zum Paragraphen 129a darstellen soll.

„Es gibt genügend andere Beispiele aus der Oberpfalz, um den Paragraphen 129a darzustellen“, gibt Dr. Uwe Dams, Vorsitzender des Dachverbands und Funktionär der ÖDP, die Haltung der Mehrheit des Dachverbands wieder. Er befürchtet, daß mit der Person Strobl die Anti-WAA-Bewegung durch gezielte Falschmeldungen von Polizei und Medien in die „RAF -Ecke“ gedrängt werden könne. Doch Dams wehrt sich nicht nur gegen die Person Strobl, sondern auch gegen die Thematisierung des Paragraphen 129a. „Es ist fraglich, ob wir alle Bastionen stürmen und alle am Rande der WAA liegenden Themen miterörtern müssen.“ Seiner Meinung nach müßte sich in der jetzigen Situation eine Demonstration gegen die WAA schwerpunktmäßig mit der Frage der Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit befassen.

In die gleiche Kerbe wie Dams schlägt auch Irene-Maria Sturm, Sprecherin der BI Schwandorf. „Wir möchten gerne beim Thema bleiben“, argumentiert Sturm gegen die Redebeiträge von Strobl und dem Schweizer Psychiater Binzwanger, einem Spezialisten für Isolations- und Deprivationsforschung. Die BI-Sprecherin hofft jetzt inständig, daß beide Redner den Hungerstreik nicht thematisieren.

„Es gibt keine Sonderbedingungen, sprich Zensur, für einzelne Redner“, stellt dagegen Florian Schneider vom Büro des Trägerkreises der Demonstration im Münchener Anti-Atom -Büro klar. Im gleichen Atemzug gibt er jedoch die Vereinbarung zu, daß weder auf den Auftaktkundgebungen in Haidhausen und Neuhausen (11 Uhr) noch auf der Hauptkundgebung am Odeonsplatz (14 Uhr) Solidaritätserklärungen für die Hungerstreikenden beziehungsweise Zusammenlegungsforderungen geäußert werden dürfen. Erst auf dem Vorbereitungstreffen am letzten Wochenende in Nürnberg wurde darüber schließlich Einigung erzielt. Zähneknirschend hatte sich der Dachverband dem Votum des Trägerkreises gebeugt. Dams wird jetzt „nur mit Bauchschmerzen“ teilnehmen. „Wir können nicht als einzige Bewegung aus der Demo aussteigen, wir müssen mitmachen“, verdeutlicht Irene Sturm die Haltung der Oberpfälzer Bürgerinitiativen.

Das war aber lange Zeit zu befürchten. „Es war Spitz auf Knopf, daß sich der Spaltpilz zwischen Vorstand und Ortsgruppen ausgebreitet hätte“, schildert Erna Wellnhofer von der BI Schwandorf die Lage. In der Tat konnte erst die eindeutige Haltung des BUNDs und der Friedensinitiativen für den Redebeitrag von Strobl den Dachverband und den BI -Vorstand zum Einlenken bewegen. Da fünf Ortsgruppen von der Schwandorfer BI voll hinter Strobls Rede standen, bestreitet Erna Wellnhofer, daß der Dachverband und die BI-Sprecherin in dieser Frage überhaupt die Basis vertreten haben. Nach der erzielten Einigung steht jezt einer gemeinsamen Demonstration nichts mehr im Wege. Über 200 Organisationen rufen dazu auf.

Angesichts der neuen Entwicklung um die WAA kommt auf die Anti-WAA-Bewegung gleich ein neues Problem hinzu. Wolfgang Ehmke, Pressesprecher der Bürgerinitiative Lüchow -Dannenberg, konstatiert bedenkliche „politische Widersprüche“ zwischen der bundesweiten Anti-AKW- und der bayerischen Anti-WAA-Bewegung. Er bezieht sich dabei auf das immer wieder von Teilen der Anti-WAA-Bewegungen erhobene Plädoyer für eine direkte Endlagerung. Mit dieser Haltung beschreite - so Ehmke - die Anti-WAA-Bewegung den Weg der „Sozialdemokratisierung“, da sich dies programmatisch mit der SPD decke. Ehmke stellt dagegen die Forderung der Anti -AKW-Bewegung, daß über den „bereits vorhandenen Atommüll erst geredet wird, wenn der Ausstieg aus dem Atomprogramm beschlossenen Sache ist“. Ehmke hofft, daß die Anti-WAA -Bewegung ihre Haltung auf der Münchener Demo „entsprechend aktualisiert und präzisiert“. Erna Wellnhofer stellte dazu klar, daß die Demonstration am 3. Juni „kein Fest zur Beendigung der WAA“ werde. Es gelte deswegen auch die Losung: „Wir kämpfen weiter.“

Kontakt für die Demo am 3.6.: Anti-Atom-Büro, Holzstr.2, 8000 München 5, 089/2608550