Bremen im Finanzloch

■ Vordenker-Institut des Wirtschaftssenators veröffentlicht umfangreiche Dokumentation des Streits um den Länderfinanzausgleich

Seit fünf Jahren schon streitet das kleinste Bundesland Bremen um eine Besserstellung im Bundesländerfinanzausgleich. 1986 gab das Karlsruher Verfassungsgericht in wesentlichen Punkten der Bremer Position Recht. Doch die finanzielle Umsetzung des Urteils blieb weit hinter den Bremer Erwartungen zurück. Im Sommer 1988 reichte Senatspräsident Wedemeier deshalb eine zweite Klage in Karlsruhe ein. Auf über 300 Seiten hat der Bremer Ausschuß für Wirtschaftsforschung (BAW) jetzt Schriftwechsel, Parlamentsprotokolle und andere Dokumente des Länderfinanzstreits veröffentlicht.

Wesentliche Informationen allerdings fehlen. Schuld daran sind die Landesregierungen in München und Stuttgart, die ihre jeweiligen statistischen Landesämter anwiesen, eine Studie nicht an die Bremer herauszurücken, die neue Munition für die Verfassungsklage des Stadtstaates liefern könnte. Die süddeutschen

Landesstatistiker hatten nämlich ausgerechnet, wieviele Landesbedienstete in den Großstädten ihrer Region arbeiten. Diese Angaben wollte Bremen auf die eigene Stadt hochrechnen und so dem Argument vorbeugen, hier würde verschwenderisch mit Beamtenstellen umgegangen.

„Ein Skandal“, kommentierte der Leiter des BAW, Günter Dannemann, gestern das Vorenthalten der Daten. Er sieht darin einen weitereren Beleg dafür, daß die Verhandlungen um den Bundesländerfinanzausgleich nur auf der juristische -politischen Ebene, nicht aber auf der analytisch -finanzwissenschaftlichen geführt werden. „Opportunität statt Sachgerechtigkeit“ lautet denn auch der Titel seines Aufsatzes zu Beginn der dicken Dokumentation. Würde der Bundesländerfinanzausgleich aus dem Bereich des „politischen Kuhandels“ entfernt, so seine Hoffnung, dann könnte sich der Bremer Staat auf einen warmen Geldregen freuen.

Rund 700 Mio Mark jährlich - immerhin drei Viertel der jährlichen Neuverschuldung - stünden dem kleinen Stadtstaat jährlich zusätzlich zur Verfügung, wenn der Bund und die anderen Länder der Bremer Auffassung von Finanzwissenschaft folgen würden.

Doch dahin ist es ein weiter Weg. Vorerst wird im BAW, dem Vordenker-Institut des Wirtschaftssenators, mit realistischeren Zahlen gearbeitet. Schon 1992, so die pessimistische Prognose, wird Bremen in die paradoxe Situation geraten, daß mit der jährlichen Neuverschuldung von 1,1 Mrd Mark gerade noch die Zinsen für alte Kredite beglichen werden können. Pro Kopf der Bremer Bevölkerung wird das Land dann bei den Banken mit 28.300 Mark in der Kreide stehen, 1970 waren es erst 1.460 Mark.

Ohne den Karlsruher Richterspruch von 1986 allerdings, so hat das BAW errechnet, läge die Ver

schuldung schon bei 31.900 Mark pro Kopf und die Nettokreditaufnahme würde schon heute die Zinslast übertreffen.

Auch einen ständigen Verstoß gegen das Grundgesetz und die Bremer Landeshaushaltsordnung beklagte Dannemann. In beiden Gesetzen wird nämlich gefordert, daß die staatlichen Investitionen höher sein müssen als die Nettokreditaufnahme

-schon seit 1981 wurde dies in Bremen nicht mehr erreicht. Seit acht Jahren wird somit eine Ausnahmegenehmigung wegen „gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichts“ in Anspruch genommen, und ein Ende ist nicht in Sicht. „Beim derzeitigen Finanzausgleichssystem haben wir keine Chance, die Forderung des Grundgesetzes zu erfüllen“, geklagte Dannemann gestern. Er hofft auf Abhilfe aus Karlsruhe, „sonst ist die Eigenstaatlichkeit Bremens in Gefahr.“

Ase

„Der Bundesstaat Bremen im länderstaatlichen Finanzausgleich“, Hrsg. BAW, 20 Mark