Dem Atomstrom eine Gasse nach Berlin

■ Wirtschaftssenator Mitzscherling (SPD) will Stromlieferungsvertrag durchpeitschen / Energie- und umweltpolitische Prüfung des Vertrags soll ausgehebelt werden

Mit juristischen Winkelzügen versucht Wirtschaftssenator Mitzscherling (SPD), die zwischen SPD und AL vereinbarte umfassende energiepolitische Überprüfung des Stromlieferungsvertrags zu verhindern. Wie es gestern hieß, vertritt Mitzscherling mittlerweile die Auffassung, der Vertrag bedürfe keiner Genehmigung nach dem Energiewirtschaftsgesetz. Der Vertrag, den die Bewag mit dem westdeutschen Stromkonzern Preußen Elektra und der DDR -Gesellschaft Intrac geschlossen hatte, ist nach Mitzscherlings Meinung überdies bereits „rechtswirksam“. Damit wäre dem Senat die Möglichkeit genommen, den Vertrag zu prüfen und die darin vereinbarten Stromlieferungen aus Westdeutschland gegebenenfalls zu stoppen.

Weil es in dieser Frage Streit zwischen Mitzscherling und der ebenfalls zuständigen Umweltsenatorin Schreyer (AL-nah) gibt, hatten SPD und AL das Thema Stromvertrag am Donnerstag von der Tagesordnung des Umweltausschusses abgesetzt. Ein Gespräch, das Mitzscherling und Schreyer am selben Tag führten, brachte keine Einigung. Die Umweltsenatorin bestätigte gestern, daß es an dem strittigen Punkt zwischen den beiden Senatsbehörden einen „Austausch von Rechtspositionen“ gebe.

Wie berichtet, fürchtet Schreyer, daß der Vertrag „der Notwendigkeit entgegensteht, Energieinsparkonzepte zu realisieren“. Außerdem könnte die Stadt von westdeutschem Atomstrom „abhängig“ werden. In der Koalitionsvereinbarung ist deshalb festgelegt, daß der Vertrag auch unter diesen Gesichtspunkten zu überprüfen und gegebenenfalls zu „kündigen“ sei. Der Wirtschaftssenator gilt dagegen seit jeher als Befürworter des Vertrags. Würde sich seine Auffassung durchsetzen, bestätigte Schreyer gestern der taz, dann würde sich die Prüfung „sehr stark auf die Frage des Trassenbaus verengen“. Zu deutsch: Der Senat könnte nur noch entscheiden, wie der Strom innerhalb Berlins transportiert wird, nicht mehr darüber, ob der westdeutsche Atomstrom überhaupt gebraucht wird. Für manche in der AL liegt hier eine „Sollbruchstelle“ der Koalition.

Der Vertrag, den die Bewag immer noch nicht komplett herausgegeben hat, eröffnet mit einer Genehmigungsklausel dem Senat durchaus die Möglichkeit, seine Annahme zu verweigern.

Stimmt der Senat der Vereinbarung der Elektrokonzerne nicht zu, ist diese hinfällig. Außer einem Brief, in dem Exwirtschaftssenator Pieroth (CDU) eine weitere Prüfung des Vertrages für unnötig erklärt, gibt es zudem offenbar keine Zusage des alten Senats, auf die sich die Bewag berufen könnte. Nach §4 des Energiewirtschaftsgesetzes hätte der neue Senat hingegen die Möglichkeit, den Vertrag aus „Gründen des Gemeinwohls“ zu „beanstanden“. Diese Auffassung vertritt nicht nur Schreyer, sondern auch der SPD -Abgeordnete Behrendt. Behrendt - er ist umweltpolitischer Sprecher seiner Partei - kritisierte gestern gegenüber der taz die „juristischen Spielereien“, die in Mitzscherlings Behörde angestellt würden.

hmt