SUGAR MAMA

■ Wie die Liebe die Entwicklung fördert...

Sie wissen nicht, was eine Sugar Mama ist? Dann folgen Sie mir nach Lamu, einer Insel an der Nordküste Kenias. Ihre gleichnamige Hauptstadt war jahrhundertelang eine blühende und wohlhabende Zentrale des Handels zwischen Afrika und Arabien und ein Schmelztiegel für die Swahili -Küstenbevölkerung und arabische Händler, Handwerker und Flüchtlinge. Heute sind ihre Häuser aus Korallenkalkstein mit den Magrovenholzdächern und den gewaltigen geschnitzten Eingangstüren vom Verfall bedroht. Malerisch ist das Stadtbild immer noch, mit dem engen Gassengewirr, den Plätzen, den 25 Moscheen, den Eseln als Haupttransportmittel, den Männern in ihren lang wallenden Kanzu und den Frauen, die ihren schwarzen Umhang, den Bui -Bui, eher keß als verhüllend um den Körper schlagen, so daß der Wind ihn oft aufbläht wie das Segel einer Dhau.

Es braucht Sie ja nicht weiter zu stören, daß die Zustände in dem oberhalb der Stadt gelegenen, weit und breit einzigen Krankenhaus katastrophal sind, daß die Einheimischen nicht das Geld haben, um ihre 200 Jahre alten Häuser zu renovieren, daß sie deshalb auch die geschnitzten Türen und Möbel an Souvenirhändler verscheuern und stuckverzierte Wände in den Häusern zwecks Vermietung als Gästezimmer je nach Bedarf durchbrechen und neue aufmauern; oder daß die Fischer immer weniger fangen, weil, finanziert von den Israelis, holländische Fachleute gerade die Fahrrinne zwischen der Insel und dem Festland ausbaggern, damit hier einmal ein Tiefseehafen entstehen kann, wo dereinst das in der nordkenianischen Wüste und Steppe vermutete Öl verschifft werden könnte. Aber wie gesagt, das alles braucht Sie nicht zu interessieren.

Seit Ende der sechziger Jahre, als die ersten Wasser- und Stromleitungen nach Lamu kamen, waren die Stadt und der zehn Kilometer lange weiße Dünenstrand an der Ostseite der Insel ein Geheimtip für Traveller. Wie überall ist inzwischen aus der verborgenen Fährte der Alternativos ein Neckermannscher Trampelpfad geworden. Ein Segen, daß die Insel nach wie vor schwer erreichbar ist, die Touristeninvasion sich deshalb immer noch in Grenzen hält und der Alltag in der Stadt weitgehend seinen gewohnten Gang geht.

Aber jetzt komme ich endlich zu den Sugar Mamas. Das ist also der Ort, wo Sie ihnen unweigerlich begegnen werden: Touristinnen, einige von ihnen nicht mehr ganz jung, mit ihren einheimischen Freunden. Sie lassen sich von ihnen die Tasche tragen, sitzen zusammen beim Saft exotischer Früchte in einem der vielen kleinen Straßenrestaurants oder schlendern aus der Stadt raus zum Sandstrand von Shela. Dort findet vor dem Strandhotel Peponi jeden Nachmittag im Licht der untergehenden Sonne der Aufmarsch der Schönlinge statt, einige in engen knallbunten Hosen, andere im lässig eleganten Outfit. Der letzte Schrei: blonde Strähnen im schwarzen Wuschelkopf. Sie machen Touristinnen an, bieten sich als Führer oder Organisatoren eines Ausflugs mit der Dhau, einem Boot mit dem weißen Dreieckssegel, an. Und oft bleibt es eben nicht bei einem Ausflug...

Ihren Namen haben die Sugar Mamas von der in Afrika weitverbreiteten Spezies der Sugar Daddies, ältere Herren, die sich jugendliche Freundinnen, meist Schülerinnen, zulegen und sie mit kleinen Geschenken entlohnen. Damit ist den Sugar Mamas zweierlei unterstellt: die Absicht und der Sugar.

Aha, Sextourismus mit umgekehrten Vorzeichen? fragen Sie. Nein, so nicht. Karin aus Bergisch Gladbach zum Beispiel kam nur wegen Sonne, Strand und Altstadt auf die Insel. Dann lernte sie „zufällig“ Ismael kennen und hat sich halt in ihn verliebt. Das ist exotisch und immer der beste Weg, Land und Leute kennenzulernen - Sie verstehen. Klamotten hat sie ihm geschenkt und er hat ihr traurige Geschichten erzählt, daß sein Boot bald auseinanderbricht, ein neues Segel her muß, die Mutter schwer krank ist und das Geld für seine Ausbildung nicht reicht - und so hat sie eben etwas rübergeschoben. Sie will versuchen, Briefkontakt mit ihm zu halten und alles daranzusetzen, im nächsten Jahr ihre Ferien wieder auf Lamu zu verbringen. Ob sie sich als Sugar Mama fühlt? Natürlich nicht, sie hat sich verknallt, und warum soll sie Ismael nicht ein bißchen unter die Arme greifen?

Also doch nur ganz normale Urlaubsbekanntschaften, das gibt's doch überall, meinen Sie jetzt. Nein, so einfach ist es auch wieder nicht. Wir befinden uns in der sogenannten Dritten Welt, und Lamu ist ein von Regierung und Entwicklung völlig vernachlässigter Zipfel Kenias. Der Name Sugar Mama zeigt, worum es den Einheimischen geht, aus ökonomischer Not gehen muß: ums Geschäft. Aus Spaß an der Freud allein machen die Jungs das nicht. Daß der Wind jetzt in ein paar bestens überholte Dhaus von Beachboys bläst, hat zu einer harten Konkurrenz unter ihnen um die Mamas geführt, die am meisten Sugar locker machen können. Und erst recht die Kunde, daß einige der Papagallos einen Trip nach Europa bezahlt bekommen haben.

Ja, dann schaffen die Jungs ja doch richtig an, wenden Sie jetzt ein. Sicher, das versuchen sie. Und mit den weiblichen Prostituierten in Nairobi, Mombasa und Malindi haben sie gemeinsam, daß sie sich aus ökonomischen Gründen außerhalb der Normen und Werte ihrer sozialen Gemeinschaft stellen. Männern wird das zwar in der Regel eher nachgesehen als Frauen, aber in der streng islamischen Gesellschaft Lamus wiegt es schwer. So richten sich Ressentiments gegen die Touristinnen, die die guten Sitten verderben. Aber für die Beachboys, die die Aufreißerei und Rumhängerei mit weißen Frauen nach einiger Zeit satt haben, ist die Reintegration auch nicht ganz einfach. Wer von den schönen und selbstbewußten Mädchen im Bui-Bui will schon so einen Typen heiraten? Zumindest treibt eine solche Vergangenheit den Brautpreis gewaltig in die Höhe.

Was Ismael macht, wenn Karin wieder in Bergisch Gladbach ist, möchten Sie wissen? Ismael hofft sehr, daß Karin ihn als ihr privates Entwicklungshilfeprojekt betrachtet. Ja, nett war sie, aber auf drei, vier Karins pro Saison muß er es bringen. Er spart nämlich, um einmal eine Touristenlodge aufmachen zu können. Als Gigolo alt werden möchte er auf jeden Fall nicht.

Christa Wichterich