Doppelbizeps und Posing-Öl

■ Berliner Bodybuilding-Meisterschaften 1989 am Samstag in der Urania

Gutgestylte und tiefgebräunte Menschenmassen haben sich im Saal auf eine mehrstündige Begutachtung vieler Bankdrücker und HantelheberInnen eingerichtet. Eine Vorwahl am Morgen durch die Jury des VBB (Vereinigung Berliner Bodybuilder) beschert ab 19 Uhr nur noch die Elite. Die Juniorenklassen -Bewerber stellen nacheinander - zu fetziger Popmusik und unter verkrampften Gesichtszügen beim Herausstellen der ausgeprägten Muskelstränge - dem Publikum ihre anatomischen Resultate vor. Doch erst der gemeinsame Vergleich bringt es an den Tag: Sind die einzelnen Partien auch noch so gut hintrainiert, nur der Bestdefinierteste gewinnt. Auch die insgesamt nur vier hartgepolsterten Damenkörper in drei Gewichtsklassen (unter 52, unter/über 57 kg) konkurrieren danach um den dicksten Trizeps und den festesten Bauch in der allernötigsten Bekleidung. Dennoch haben die Bodybuilderinnen außer Make-up mehr Grazie und fließende Übergänge zur Musik zu bieten als die Herren der (künstlichen) Schöpfung. Aber die Pflichtkür (Doppelbizeps, Latissimus, Brust, Trizeps, Bauch/Bein) bleibt die gleiche. Petra Driesener hat dank Mutter Naturs Vorarbeit in Sachen Figur und Proportion am Ende zwei Pokale, mehrere Preise und gut lachen. Ach so, und den Berliner Meisterinnen-Titel.

Danach wird es für den gering Physis-orientierten Betrachter recht monoton - im Gegensatz zum brodelnden Saal. In Fitneß-Studio-Fraktionen eingeteilt, johlen einzelne Grüppchen und feuern ihre Studio-Kameraden heftig an, noch mehr Bizeps von hinten zu zeigen. Und die Jungs der letzten vier Klassen (unter 70, unter 80, unter/über 90 kg) wissen zu kämpfen. Beim gemeinsamen freien Posen zu einer Minute Musik drängt man sich vor den Rivalen, um dessen geschwellte Brust vor der eigenen erblassen zu lassen, deutet mit dem Finger auf seine stolzeste Region, und nur unter Mühen des Moderators verlassen die Eifrigen die Arena. Hinter der Bühne werden die dunkelbraun gegerbten Turboliegen-Statuen von Freunden mit Posing-Öl auf Glanz gebracht, dessen Geruch sich in der Zwischenzeit mit Schweiß und Parfüm in die Holzvertäfelung des Saals eingebrannt hat. Einige stämmige Sprücheklopfer in üppig dekorierter Begleitung sind mit der Meinung der Jury nicht einverstanden. Aber trotzdem treffen sich zum Schluß die jeweiligen Sieger einer Gewichtsklasse zum Stechen um den größten Pokal - und der geht an den kleinsten: Gerhard Wölfling. Carsten Schellenberg hingegen, Gewinner aus der schwersten Gewichtsklasse und an Lagerfeld erinnernd, kriegt immerhin die Sondertrophäe fürs beste Präsentieren seiner härtesten Muskelgebiete.

Connie Kolb