Nagel „überfällt“ Kulturpolitiker

■ Standortsuche für Deutsches Historisches Museum brüskiert die Koalitionsfraktionen / AL-Kulturexpertin: „Der ist gar nicht zuständig“

„Was Herr Nagel hier treibt, werte ich als eine Art Überfall“, meinte Sabine Weißler, kulturpolitische Sprecherin der AL zur Ankündigung des Bausenators, heute drei neue Standorte für das in der SPD/AL-Koalition umstrittene Deutsche Historische Museum vorzustellen. Frau Weißler sagte außerdem, Nagels Vorstoß widerspreche in eklatanter Weise der Koalitionsvereinbarung und sprach von einem „harten Konflikt“ für den Fall, daß der Bausenator nicht zur vereinbarten Vorgehensweise zurückkehren wolle.

Ähnlich drastisch bewertete Christian Ströbele, Mitglied des Parteivorstands der AL, die Ankündigung Nagels, das Museum an einem neuen Standort zu bauen. Ströbele: „Wir wollen das verhindern!“

Aber auch die kulturpolitische Sprecherin der SPD, Karen Greve, äußerte ihre Verwunderung über den Bausenator: „Ich finde das sehr vorschnell und bin erstaunt. Dies war mit mir und auch mit der Fraktionsspitze nicht abgesprochen.“ Frau Greve sagte, zuerst müsse jetzt über konzeptionelle Fragen gesprochen werden, eine baupolitische Entscheidung sei derzeit nicht zu fällen und die Standortfrage sei ebenfalls zweitrangig. Sie sei auch deswegen so über den Vorstoß Nagels erstaunt, weil sie noch vergangenen Donnerstag zusammen mit der Fraktionsführung die nächsten Schritte in der Debatte um das Museum besprach. Von der neuen Standortsuche sei dabei keine Rede gewesen. Vielmehr sei man sich darin einig geworden, die Diskussion um das Konzept für das Deutsche Historische Museum mit einer neuen Experten -Kommission wieder zu eröffnen.

Auch Karen Greve meinte, daß Nagel jetzt mit diesem Thema an die Öffentlichkeit gehe, widerspreche allen Absprachen zwischen den Koalitionspartnern. Sabine Weißler zu diesen Absprachen: „Nagel ist dafür sowieso nicht zuständig. Es war abgemacht, daß wir zunächst eine grundsätzliche Diskussion um die Konzeption eines solchen Museums führen und danach entscheiden, ob wir es überhaupt bauen.“

Über die Motive Nagels für den Vorstoß wird in der AL spekuliert. Offenbar, so die Überlegungen, will Nagel durch einen neuen Standort die 400 Millionen retten, die beim Bau des Museums der Berliner Bauindustrie zufließen würden.

Die CDU wertet dagegen das Vorgehen des Bausenators als Versuch, das Museumsprojekt insgesamt zu torpedieren und damit dem Konflikt mit der AL aus dem Weg zu gehen. CDU -Kulturexperte Lehmann-Brauns meinte: „Mit diesem kleinkarierten Gezerre um den Standort beweist die SPD, daß sie nicht die Kraft hat, das Museum durchzusetzen. Die Sozialdemokraten pendeln im Moment zwischen ja und nein. Es ist bekannt, daß führende Berliner SPD-Politiker erst von Bonn überredet werden mußten, das Museum zu akzeptieren.“

Lehmann-Brauns nimmt deswegen die Aussage Nagels, das Museum werde gebaut, auch nicht mehr ernst. Dem widerspricht Karen Greve von der SPD heftig: „Wir wollen sehr wohl dieses Geschenk aus Bonn nutzen, müssen uns allerdings noch gründlich über das Wie unterhalten.“

Wie verlautete, wird Nagel heute der Presse drei Alternativ -Standorte vorschlagen: neben dem Lenne-Dreieck das Gelände an der Köthener Straße und einen Standort direkt auf dem Kulturforum. Nagel selbst soll für das Kulturforum plädieren. Nagel weigerte sich gestern, irgendwelche Anfragen der taz zu beantworten.

Johann Legner