: Noriega: Eine Nummer zu groß für Bush
Der US-Präsident ruft Volk und Streitkräfte Panamas zum Sturz des Machokraten Noriega auf / Pineappleface als Buhmann der amerikanischen Öffentlichkeit / Der Drogist am Panamakanal soll ein Video über ein Treffen mit Bush auf Vorrat halten ■ Aus Washington Martin Kilian
„Männlichkeit“, so hatte Manuel Antonio Noriega 1987 definiert, werde bewiesen, „indem man an der Macht bleibt“. Vergangene Woche bewies Panamas Machokrat, zum Ärger seiner ehemaligen Freunde in Washington, wie ernst es ihm mit der Virilität ist. Zu einer eleganten Manipulierung der panamaischen Präsidentschaftswahlen unfähig, muskelte der Mann mit der pockennarbigen Visage - „Pineappleface“ tituliert ihn die US-Presse - die siegreiche Opposition von der Straße und annullierte das Wahlergebnis - eine rüde Herausforderung an seine einstigen Gönner in Washington.
Amerikanische Regierungen, erkannte daraufhin der republikanische Senator John McCain (Arizona), hätten Noriega „beharrlich unterschätzt“. Kann man wohl sagen: Seit anderthalb Jahren möchten die Washingtoner Regierenden den General Noriega zur Aufgabe zwingen, allein, der Mann, inmitten einer als Folge der US-Wirtschaftssanktionen zusammenbrechenden Wirtschaft und trotz zehntausend amerikanischer Soldaten gleich nebenan in der Kanalzone, ist noch immer auf den Beinen.
George Bush blieben, das Spektakel in Panama vor Augen, nur ganz große Worte: „Die Völker Lateinamerikas und der Karibik haben für die Demokratie gekämpft und sind dafür gestorben“, deklamierte er vorigen Donnerstag - eine klare Aufforderung an Panamas Opposition, ebenfalls für Demokratie zu kämpfen und notfalls zu sterben. Ungesagt blieb nicht nur, daß Lateinamerikas Demokraten oft genug starben, weil die Gringos zugunsten von Autokraten und Diktatoren eingriffen.
Bush erklärte überdies nicht, weshalb in Panama stört, was in Haiti, wo die letzten Wahlen von Massakern begleitet wurden und ebenfalls ein korruptes Militärregime regiert, hingenommen wird. Neben dem Panamakanal, laut der republikanischen Betonfraktion im Kongreß noch immer „unser Kanal“, ist es vor allem Wut über Noriegas Standvermögen, die den amerikanischen Blutdruck hochtreibt. Und das TV: Bilder blutbeschmierter panamaischer Politicos, von Noriegas Schutzstaffeln erbarmungslos mit Schlägen traktiert, katapultieren sogar die lethargische US-Öffentlichkeit aus den Fernsehsesseln.
Auch ist derlei Drama der Hintergrund, vor dem Kongreßmitglieder mit Macht um Profilierung ringen. Noriega, fordert etwa der demokratische Senator Bob Graham (Florida), „muß weg“, koste es, was es wolle. Und bis es soweit ist, dient Pineappleface dem rechten Rand im Kongreß, jenen, die in Jimmy Carters Vertrag über die Rückgabe des Panamakanals nichts als eine skandalöse Schenkungsurkunde sehen, als Buhmann, um den Carter-Deal vielleicht doch noch rückgängig machen zu können.
Keinesfalls dürfe der Kanal „in die Hände eines Verrückten wie Noriega fallen“, entrüstete sich vergangene Woche Floridas republikanischer Senator Connie Mack, bevor er gleich einen entsprechenden Gesetzesentwurf im Senat einbrachte. Noriega, das möchte auch George Bush, „muß weg“. Aber wie? Zweitausend zusätzliche Kampftruppen hat Bush in die Kanalzone beordert, eine militärische Intervention aber machte sich nicht gut: Latinos und Latinas, seit dem mexikanisch-amerikanischen Krieg von 1846 unter der nordamerikanischen Knute, wünschen nicht einmal einem gestandenen Unhold wie Noriega die Ledernacken ins Haus; man weiß nie, wen es als nächsten treffen könnte. Doch nicht nur Rücksicht auf lateinamerikanische Sensibilitäten steht einem dröhnenden Einmarsch im Wege.
Auch das Pentagon macht Scherereien: Militärische Aktionen, lamentierte unlängst wieder Admiral William Crowe, der Chef des amerikanischen Generalstabes, seien „ein dreckiges, dreckiges Geschäft“ - Vietnam läßt grüßen, desgleichen der Libanon. Die amerikanische Öffentlichkeit, bedauert Crowe, sei nur dann für Gewaltanwendung zu haben, wenn die Zahl amerikanischer Kampfverluste möglichst klein bleibe.
Da in Panama keine US-Studenten zur Rettung anstehen und Pineappleface mehr Wumms kommandiert als die Commies seinerzeit auf Grenada, empfiehlt die Bush-Administration den panamaischen Oppositionellen vorerst, sich und den Kanal lieber selbst von Noriega zu befreien. Dessen Soldaten „sollten alles in ihrer Macht stehende tun, um Mr. Noriega da raus zu kriegen“, riet Bush am Samstag den panamaischen Streitkräften.
„Ein Wort der Vorsicht
füge ich nicht hinzu.“
Die CIA, schon vor dem Präsidentschaftswahlkampf in Panama mit klandestinen zehn Millionen bei der Sache, wird, soviel ist sicher, helfen, den obstinaten Wüstling am Kanal abzuräumen.
Trotz solcher Diskretion droht Bush Gefahr: Seit 1966 stand Noriega im Sold der CIA, er weiß so manches. Den Reaganistas war er zu Gefallen, als sie ihn um Hilfe für die nicaraguanischen Contras angingen, amerikanischen Drogenfahndern zuliebe ließ er hin und wieder mal einen Dope -Schmuggelring hochgehen. Koks-Konkurrenten den Gringos ans Messer zu liefern, erhöhte zwangsläufig Noriegas Marktanteile - und half den US-Drogenfahndern, vor der US -Bürgerschaft zu verschleiern, daß Pineappleface selbst im Geschäft war.
Und dann sind da auch noch die panamaischen Präsidentschaftswahlen von 1984. Damals beschiß Noriega ebenfalls, die Washingtoner Ober-Demokraten indes störten sich nicht weiter daran. „Panamesen aller politischen Überzeugungen“ erhielten „eine neue Gelegenheit zum Fortschritt und zu nationaler Entwicklung“, säuselte der zur Amtseinführung des Noriega-Kandidaten Nicolas Ardito Barletta herbeigeeilte Reagan-Außenminister George Shultz.
Der eigentliche Wahlgewinner Arnulfo Arias entschwand nach Miami; Ardito Barletta, weil unbotmäßig geworden, folgte später. Die Regierung Reagan - und der damalige Vizepräsident George Bush - hätten, soweit es Noriega betraf, „beide Augen zugedrückt“, klagte später Francis McNeil, bis 1983 US-Botschafter in Costa Rica, danach Chef des nachrichtendienstlichen Büros im Washingtoner State Department.
Eine Schlüsselfigur
des internationalen Drogenhandels
Ob Geldwäscherei, Koks und Dope oder der 1985 von Pineappleface angeordnete Mord an dem panamaischen Oppositionellen Hugo Spadafora: Solange Noriega bei der „Demokratisierung Nicaraguas“ qua Contra mithalf, war er bei den Reaganistas wohlgelitten. Oberstleutnant Ollie North konferierte deswegen mit dem General mal zur See vor Panamas Küste, mal in London. Des Generals Angebot, die sandinistische Führung zu ermorden, wurde zwar abgelehnt. Doch Noriega-Kommandos die nicaraguanische Infrastruktur zertrümmern zu lassen, galt im August 1986 als diskutabel.
Als Dank verlangte Noriega eine Aufbesserung seines Images in den Vereinigten Staaten, wo der General im Juli 1986 unangenehm aufgefallen war: Auf ihrer Titelseite hatte die 'New York Times‘ die von Noriega betriebene Umstrukturierung Panamas in ein gigantisches Stash-Haus sowie einen Waschsalon für die Kartellbrüder aus Medellin beschrieben. Im Januar 1987 enttarnte dann sogar die Reagan-Postille 'Reader's Digest‘, Contra hin, Commies her, den General als eine Schlüsselfigur des internationalen Drogenhandels.
Nicht so die US-Drogenbehörde Drug Enforcement Agency (DEA), deren Boss John Lawn Pineappleface immer mal wieder zu seiner resoluten Haltung gegen die Koks-Barone beglückwünschte: Die DEA sei „seit langem“ erfreut „über unsere enge Zusammenarbeit und ist bereit, gemeinsam gegen internationale Drogenhändler vorzugehen, wenn immer sich dazu eine Gelegenheit ergibt“, schrieb Lawn dem Drogisten am Kanal - der Bock, ganz klar, war zum Gärtner gemacht worden. Erst nachdem der Contra-Krieg abflachte und der Iran-Contra -Skandal publik geworden war, knöpften sich die Washingtoner Herren den General vor und stellten ihn im Januar 1988 schließlich in den USA unter Anklage.
Daß George Bush Noriega 1983 in Panama City aufgesucht hatte und dabei auch über die Contra palavert wurde, erhöht jetzt die Spannung: Pineappleface, so Gerüchte in Washington und Panama City, verfüge über ein Video des Treffens mit Bush und auch über anderes belastendes Material. Der General habe Bush „an den Eiern“, behauptete im vorigen Jahr der ehemalige Noriega-Intimus Oberst Roberto Diaz Herrera. Das täte weh.
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