Das war ein Lachen, war ein Jubilieren...

Über vierzig ehemalige taz-Redakteurinnen und -Redakteure (im Verhältnis etwa von 1:6) übten sich mal wieder im Zeitungsmachen / Neben viel Spaß sprang für die Beteiligten eine Erkenntnis heraus: taz-Macken sind prägend fürs Leben  ■  Aus der taz Meino Büning

Am Tag nach dem zehnjährigen taz-Jubiläum, morgens um neun, standen plötzlich vier übernächtigte Gestalten in der Aktuellen-Redaktion: Auf dem Fest, gegen zwei Uhr, sei bei den Ehemaligen der taz die Idee entstanden, sie hätten doch mal wieder Lust..., und warum eigentlich nicht..., und die Aktuellen hätten doch gegen einen zusätzlichen freien Tag bestimmt nichts einzuwenden - und nun sollte es geschehen, hier und heute, und die anderen kämen ganz bestimmt auch bald, sie hätten es doch felsenfest versprochen, weil sie die Idee so gut fanden...

Nun, die anderen kamen nicht, jedenfalls nicht bald, und nicht so frisch, und auch nicht mehr ganz so lüstern, aber die Idee fanden sie immer noch gut, und so wurde es denn beschlossen: Am Pfingstmontag sollte es passieren. Und es passierte.

Beileibe nicht aus heiterem Himmel. Die acht oder zehn Ursünder hatten durch emsiges Telefonieren inzwischen weitere angeworben, sie zählten schon nach Dutzenden, und aus den Vorbereitungssitzungen kamen alsbald die ersten Berichte: teils erbittert, teils belustigt. Dieser und jener sei noch immer die gleiche Flitzpiepe, jener und dieser aber habe sich ganz toll entwickelt: Der sei ja schon fast ein Mensch! Und auch in der taz selbst blühten die Spekulationen, halb ängstlich, halb verächtlich: Diese Wochenzeitungsjournalisten, mit drei Wochen Vorbereitung kann jeder 'ne gute Zeitung machen, aber die lassen sie ja doch nur abstürzen, die haben doch keine Ahnung, diese Edelfedern (das ist, ich kann es nur betonen, kein Kompliment).

Das mit der Vorbereitung war ja nun wirklich wahr. Aus allen Himmelsrichtungen kamen die Voranmeldungen: Der eine wollte eine Seite, der andere lächerliche 200 Zeilen, die Kommentare waren bestellt, der Aufmacher stand schon drei Tage vorher fest - ach, wär‘ doch was los gewesen in der Welt, das all diese Planung durcheinandergewirbelt hätte! War aber nicht. Pfingstmontag.

Pfingstmontag. Man versammelt sich, man brabbelt. Ein Ausblick aufs Inland, eine Erwähnung des Auslands - Hannes Winter schreibt aus Barcelona: Ja was denn? Nun, er ist in Barcelona, und da schreibt er halt was. Ach so. Im übrigen ist man sehr mit sich zufrieden, daß man fast pünktlich angefangen hat: zehn nach neun. Schon sitzt die Angst im Nacken: Halten wir die Zeit? Um zwanzig nach neun kommt Kuno: Ihr habt ja schon angefangen? Ich soll Kommentare machen, das ist ja langweilig, die sind ja alle schon bestellt, will keiner mit mir tauschen? Keiner will. Die Aktuellen brabbeln weiter vor sich hin, ein bißchen Inland, ein bißchen Ausland, ein bißchen Seite eins. Der alte Aktuellen-Hase Kuno wittert seine Chance: Fest nimmt er die Zügel in die Hand, bedient sich der Wandtafel, sammelt die Themen, bringt Zug in den Laden. Nach der großen Konferenz wird man ihn noch einmal sehen, wie er mit Ulle kurz abspricht: Weißt du was, die Kommentare teilen wir uns, und ich mache ein bißchen Inland mit. Fortan wirbelt Kuno. Kuno qui, Kuno la, Kuno ist überall und - vor allem, wenn man ihn braucht - nirgends. Aber er ist glücklich, so glücklich.

Die Konferenz. Der Wunder voll. Wir werden belehrt, warum die Abos nicht steigen: Wir haben kein Herz für Tiere. Haben wir die Kaufkraft der Dackel unterschätzt? Außerdem erfahren wir, wer das letzte Interview mit Ernst Aust gemacht hat. Aha. Der bestellte Essay wird erbarmungslos gekippt. Kurz wird angetippt, warum so wenig Frauen dabei sind. Pragmatische Erklärungsversuche werden barsch verworfen: Quatsch! Aber man steigt nicht tiefer in das Thema ein, so genau will es niemand wissen.

Das Tempo zieht an. Der Berichterstatter kann nicht mehr grinsend dabeisitzen, jetzt muß er selber ran: Hier eine Auskunft, wieviel Brottext im neuen Layout auf die Seite geht, dort in die Praxis der Mailbox einweisen, und gibt es denn in diesem verdammten Haus keine einzige ganz normale Schreibmaschine mehr? Doch, aber die wird von Kunos Sohn in Atem gehalten. Ganz beiläufig wird klar, wieviel am hochgerühmten Professionalismus aus der Kenntnis der schlichten technischen Kleinigkeiten besteht; wie diese in einem hochkomplizierten Produktionsapparat nun einmal den Alltag beherrschen - und sich ständig ändern. Wer ein halbes Jahr raus ist, ist raus.

Aber das gilt nicht nur für die technischen Fertigkeiten. Wenn ich einmal Luft habe, kann ich nur verwundert ins Gewusel blicken: Herrgott, wie sind wir dagegen diszipliniert! Und ganz leise wird mir klar, woher die Begeisterung der Ehemaligen kommt: Sie haben Entzugserscheinungen. Es ist ja eine feine Sache, für einen Artikel jede Menge Zeit zu haben und ein Archiv und Kohle nicht zu vergessen - aber das Zeitungsmachen, das Zeitungsmachen! Dafür hat sie niemand angeheuert, da läßt sie keiner mehr ran, und manchmal regt sich dann was in den hochbezahlten Hinterköpfen, zum Beispiel bei einem taz-Fest: Da war doch noch was, irgendwas...

Jetzt können sie es ausleben. Das tun sie nach Kräften. Und während ich im Endspurt dem zehnköpfigen Knäuel vor dem Terminal zuschaue, wie es in letzter Minute das taz-intern verlängert und verlängert und verlängert, habe ich es endgültig kapiert: Unsere Ehemaligen sind, wenn sie bei der Zeitung blieben, alle bei Wochenzeitungen gelandet, kein einziger bei einer Tageszeitung. Der Grund ist ganz einfach: Wen das Zeitungsmachen wirklich reizt, wo soll der hingehen

-wenn nicht zur taz? Es war ein lohnender Tag. Belichtungsende: 18 Uhr 18, völlig normal. Ihr könnt's noch, Kolleginnen und Kollegen. Vergeßt es nicht.