SPD fällt Arbeitslosen in den Rücken

CDU und SPD beschließen gemeinsam Beibehaltung der unzulässigen Kürzung von Arbeitslosenhilfe  ■  Aus Bonn Gerd Nowakowski

Bei der SPD dürfen sich Arbeitslose bedanken, wenn die Bundesregierung sie weiterhin um die ihnen zustehende Arbeitslosenhilfe betrügen darf. Eine große Koalition aus CDU und SPD hat im Rechtsausschuß des Bundestags gegen die Stimmen von FDP und Grünen einen Gesetzesentwurf durchgesetzt, gegen den die Abgeordneten selber „erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken“ geltend machen. Damit hilft die SPD mit, ein vom Bundessozialgericht verurteiltes Unrecht mindestens bis Ende 1991 fortzusetzen.

Die SPD störte sich bei ihrer Zustimmung nicht daran, daß noch am 19.April im Sozialausschuß eine eindrucksvolle Reihe von Gutachtern in einer öffentlichen Anhörung den Gesetzesentwurf von Minister Blüm (CDU) für verfassungswidrig erklärt hatte. Vertreter kommunaler Spitzenverbände und die Deutsche Familienorganisation kündigten an, die Republik „mit Prozessen zu überschwemmen“, falls die Regelung zum 1.Juni verabschiedet wird.

Bei dem Gesetzesentwurf geht es um die Legalisierung eines seit drei Jahrzehnten anhaltenden Unrechtsgebarens durch die Bundesanstalt für Arbeit. Das Arbeitsamt kürzt auf Bonner Weisung die Arbeitslosenhilfe um fiktive Unterhaltsansprüche, die dem Arbeitslosen von Verwandten angeblich zustünden. Erst im Herbst 1988 entschied das Bundessozialgericht, jeder habe Anspruch auf die volle Arbeitslosenhilfe, ungeachtet des Einkommens der Eltern (taz berichtete). Seitdem versucht die Bundesregierung mit einer gesetzlichen Regelung, das Loch zu stopfen - schließlich geht es um 400 Mio. Mark, die jährlich auf die Arbeitsämter zukämen.

Bundesminister Blüm bedient sich dabei abgefeimter juristischer Tricks, die von den Gutachtern des Bundestagshearings erbarmungslos auseinandergenommen wurden. So sprach der von der FDP eingeladene Jurist Krause davon, er sei „tief gekränkt“, überhaupt Stellung nehmen zu müssen zu solch einem „miserablen“ und „unfertigen“ Gesetzesentwurf.

Weil das Gesetz, das Unrecht zu Recht erklären soll, nur zeitlich begrenzt gelten solle, so die Argumentation der SPD/CDU-Koalition im Rechtsausschuß, seien die verfassungsrechtlichen Bedenken hinzunehmen. „Staatliche Willkür wird ermächtigt“, kritisieren die Grünen und fragen, ob der Rechtsausschuß „eine Zitadelle von Verfassungsfeinden“ sei. Die SPD-Sozialpolitikerin Barbara Weiler stöhnt bei Nachfrage nur auf: Das sei „eine ganz traurige Sache“, über die der Sozialausschuß „ziemlich entsetzt“ gewesen sei. Sie führt die SPD-Zustimmung auf „Informationslücken“ zurück.