Das RWE und sein sauberes Töchterlein

Wegen dubioser Machenschaften des Essener Stromkonzerns kommt auch die NRW-Landesregierung unter Druck / Über eine Tochter und Briefkastenfirma soll der Konzern über eine Milliarde Mark Steuern „mit hoher krimineller Energie“ hinterzogen haben  ■  Aus Düsseldorf J.Nitschmann

Nach Bekanntwerden der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk (RWE), das im Verdacht steht, bei der Finanzierung des Atomkraftwerks Mülheim-Kärlich mehrere hundert Millionen Mark Steuern hinterzogen zu haben, sind auch gegen das nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerium schwere Vorwürfe wegen mangelhafter Kontrollen laut geworden.

Die nordrhein-westfälischen Grünen warfen dem Düsseldorfer Wirtschaftsministerium vor, „Scheinverträge und In-sich -Geschäfte“ des RWE mit seiner luxemburgischen Tochtergesellschaft Societe Luxemburgoise de Centrales Nucleares SA (SCN) nicht zur Kenntnis genommen und damit einen riesigen Steuerskandal verschlafen zu haben. Durch einen mit SCN abgeschlossenen Leasingvertrag für das Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich habe das in Essen ansässige RWE „Kosten durch Pachtgebühren vorgetäuscht, die keine reale Grundlage haben“. Auf diesem Wege sind dem deutschen Fiskus nach den Berechnungen der NRW-Grünen Steuern in Höhe von über einer Milliarde Mark „vorsätzlich und mit hoher krimineller Energie“ entzogen worden“.

Ein Sprecher der Essener Staatsanwaltschaft bestätigte gegenüber der taz, daß bei seiner Behörde bereits vor einigen Monaten ein Strafermittlungsverfahren „wegen Steuerdelikten“ eingeleitet worden sei. Zwischenzeitlich habe die Staatsanwaltschaft die von ihr sichergestellten Unterlagen der Steuerfahndung in Essen übergeben.

Bereits im Dezember 1988 hatten Mandatsträger der Grünen im „Verband kommunaler Aktionäre“ (VKA) das RWE wegen der dubiosen Finanzierungspraktiken bei dem gerichtlich stillgelegten Atommeiler in Mülheim-Kärlich „eine Sonderprüfung“ beantragt. Das VKA-Mitglied der Grünen Renate Berger hält „die abenteuerlichen Rechtskonstruktionen mit der SCN schlicht für sittenwidrig“. Durch „fingierte Selbstverträge“ mache das RWE Betriebskosten geltend, „um sie als Monopolist dem Tarifkunden aufzubürden und kassiert als Anteilseigner seiner luxemburgischen Tochter noch zweistellige Millionenbeträge bei einem stillstehenden Kraftwerk“.

Nach Angaben der NRW-Grünen belaufen sich die Pachtkosten des RWE beim AKW Mülheim-Kärlich aufgrund des bis 1997/98 laufenden Leasingsvertrages mit SCN auf insgesamt 10,5 Milliarden Mark. Alleine bis zum Bauabschluß des Atommeilers seien durch diesen Finanzierungsmodus in dem Zeitraum zwischen 1975 und 1986 Kapitaldienstkosten (Zinsen) in Höhe von rund 1,3 Milliarden Mark aufgelaufen. Während das RWE seine Verluste in Mülheim-Kärlich steuerlich in der Bundesrepublik voll geltend mache, „verblieben die Gewinne bei der eigenen Briefkastenfirma in der Steuer-Oase Luxemburg“.

Die Stromumsätze des Energie-Multis stiegen im Zeitraum zwischen 1982 und 1988 von 12,9 auf 16,9 Milliarden Mark, zugleich gingen aber die Steuerzahlungen des RWE von 772 auf 365 Millionen Mark um über die Hälfte zurück. Manfred Busch, Landesvorstandsmitglied der nordrhein-westfälischen Grünen, drängt sich der Vergleich mit den Steuerhinterziehungskünstlern aus dem Hause Flick auf“. Er forderte die Landesregierung auf, dem RWE umgehend die atomrechtliche Genehmigung zu entziehen.

Das Düsseldorfer Wirtschaftsministerium hat bei dem dubiosen Leasingvertrag zwischen dem RWE und der SCN seinerzeit „keine Sittenwidrigkeit“ festgestellt. Die Ermittlungen gegen das RWE will das Ministerium jetzt „sorgfältig beobachten“.

Ein Sprecher des RWE erklärte am Dienstag, das Unternehmen warte die Ermittlungen „in Ruhe ab“. Die Unterstellungen, bei der Finanzierungspraxis des Atomkraftwerkes Mülheim -Kärlich handele es sich um Steuerhinterziehung, seien „völlig unhaltbar“. Tatsächlich sei diese Finanzierungsform „gängig und international anerkannt“.