Bush ignoriert sowjetische Warnungen

■ US-Präsident sieht keinen Zusammenhang zwischen Kurzstreckenraketen und INF-Abkommen / CSU wird ruppig

Berlin (taz) - Als eindeutige Verletzung des INF-Abkommens kritisierte US-Präsident Bush gestern die Warnung des sowjetischen Außenministers Schewardnardse, als Reaktion auf eine Modernisierung westlicher Kurzstreckenraketen möglicherweise einige Mittelstreckenraketen nicht zu vernichten.

Schewardnardse hatte am Wochenende in Bonn die geplante Aufrüstung atomarer Kurzstreckenwaffen als Verletzung des INF-Abkommens bezeichnet und seinerseits damit gedroht, in einem solchen Fall die sowjetischen Mittelstreckenraketen nicht komplett zu vernichten. Bush wertete diese Warnung als einen weiteren Beweis für seine These, daß im Umgang mit der Sowjetunion nach wie vor Vorsicht geboten sei. Auch die Ankündigung Gorbatschows, 500 Atomsprengköpfe von Kurzstreckenraketen in Osteuropa abzuziehen, bewertete Bush lediglich als „interessant“. Deshalb sei er aber trotzdem nicht zu Verhandlungen über die in der BRD stationierten Raketen bereit. Ein Sprecher des US-Außenministeriums präzisierte diese Äußerungen dahingehend, daß auch im Streit mit der BRD kein Kompromiß in Sicht sei.

„Genscher lügt“

Unterdessen hat sich der Streit innerhalb der Koalition weiter verschärft. Nach einem Bericht der 'Bild am Sonntag‘ hat CSU-Minister Zimmermann gegenüber der CSU-Landesgruppe über seinen Koalitionskollegen Genscher gesagt: „Wenn man Genscher in die Augen schaut, weiß man, daß er lügt.“ Für die FDP war damit eine Schmerzgrenze erreicht. Parteivorsitzender Lambsdorff intervenierte persönlich beim Kanzler und forderte Genugtuung für seinen Außenminister. Der stauchte daraufhin Zimmermann zusammen, worauf dieser mitteilen ließ, der Bericht über seine angeblichen Äußerungen, „insbesondere den Kollegen Genscher betreffend“, sei falsch.

Das wiederum will 'Bild am Sonntag'-Chef Spreng nicht auf sich sitzen lassen. Das Zitat, so teilte er mit, sei der Zeitung „von Ohrenzeugen“ mitgeteilt und „auf eindringliches Nachfragen erneut bestätigt worden“. Bleibt die Frage wer nun lügt: Zimmermann, 'Bild‘ oder Genscher.

JG