: WEITERENTWICKLUNGSLAND BERLIN
■ Der Stand der Diskussion um die „kulturelle Filmförderung“
Als am 13.Februar während der Filmfestspiele das erste Round -table-Gespräch der „Freien FilmmacherInnen Berlin e.V.“ aus dem No-Budget-Bereich zu ihrem Modell der „kulturellen Filmförderung“ stattfand, konnten sie zwar hoffen, aber nicht ahnen, daß sie damit die Initialzündung zu Aktivitäten gegeben hatten, die nach Jahren der Vertretung jeweiliger Einzelinteressen Filmemacher und Videomacherinnen an einen Tisch brachten, um gemeinsam einen Modellvorschlag einer kulturellen Filmförderung zu erarbeiten.
Die Notwendigkeit der Schaffung einer solchen neuen Filmförderung, die im Gegensatz zur alten Berliner Filmförderung überprüfbare und abwählbare Gremien durch die Filmemacher besitzen soll, schien nicht nur den „Freien FilmemacherInnen“ der No-Budget-, sondern auch für die Low -Budget-Szene klar zu sein. Wurden doch bisher die Fördergelder von 20 Millionen Mark durch das Bankenkonsortium FKT, Film Kredit Treuhand, auf Vorschlag eines dreiköpfigen Gremiums vergeben. Dabei waren fünf Millionen Mark für Fernsehproduktionen reserviert. Der Rest verteilte sich auf abendfüllende Spielfilme, Dokumentarfilme, Kurz- und Lang-, „High„-, und nur insgesamt drei Millionen Mark verblieben für Low-Budget-Produktionen.
Das erste Modell, das die Aktivisten der No-Budget-Szene, die Filme drehen mit Budgets von wenigen tausend Mark, für ihre Bedürfnisse entwickelt hatten, setzte sich aus zwei Schwerpunkten zusammen: I.projektbezogene Förderung, II.strukturelle Förderung. Die projektbezogene Förderung beinhaltete die Finanzierung von Filmen, die sich sowohl in Form und Inhalt jeder Kategorisierung entziehen, die Finanzierung von produktvorbereitenden Maßnahmen (Drehbuch, Recherche) wie auch die Finanzierung von Verleih, Kopien und Werbung. Die strukturelle Förderung enthielt die Unterstützung derjenigen Kinos, die so entstandene Filme auch zeigen, Gremien zur Begutachtung von Anträgen, Archivierung und neben anderem auch Beratung bei der Kalkulation der Projekte.
Schon in der damaligen Diskussion in dem im Medium Film arbeitenden Personenkreis zeigte sich die Problematik der herkömmlichen Berliner Filmförderung, die eher Filme aus kommerziellen Erwägungen fördert als aus dem Interesse, Film als Film eine Weiterentwicklung zu gestatten. Wenn auch die Förderung von „Otto„- und „Didi„-Filmen (Hallervorden) die prägnantesten Beispiele dafür sind, daß kommerzielle Endprodukte rein wirtschaftliche Interessen befriedigen, so steht auch die Anzahl von kulturell wertvolleren Produkten wie Neuenfels‘ „Heinrich Penthesilea von Kleist“ nicht in dem Geruch, etwas anderes als Verwertungsschinken zu sein.
Das Interesse der No-Budget-FilmerInnen, endlich einmal in den Genuß einer umfassenden Förderung (im konkreten Modell 150.000 Mark) zu gelangen, die der Anerkennung ihrer Arbeit auf internationalen Festivals (Preise in New York, Den Haag, San Sebastian) entspricht, traf auf ähnliche Forderungen der Low-Budget-FilmerInnen, die ihre eigenen negativen Erfahrungen mit der Berliner Filmförderung gemacht hatten.
Zwar zählte der Filmbeauftragte des alten wie des neuen Senats, Eisenhauer, eine Reihe von Filmtiteln auf, die innerhalb der Förderungsmaßnahmen nicht nur wirtschaftlichen, sondern auch kulturellen Ansprüchen genügen würden. Aber offensichtlich waren die Entscheidungen über Projekte im Low-Budget-Bereich, deren Kosten sich mittlerweile bis zu Gesamtetats von 1,5 Millionen Mark erstrecken in den Gremien der Kreditvergabe so weit von den „Betroffenen“ entfernt gefällt, daß auch die Low-Budget -Filmer zu der Überzeugung gekommen sind, es sei besser, an einem neuen Modell der Filmförderung zu arbeiten, als weiterhin die Beschlüsse dieser Gremien nur zu erleiden.
Im zweiten Round-table-Gespräch am 19.April in der Akademie der Künste legten die „Freien FilmemacherInnen“ ein erweitertes Modell vor, das zwar immer noch allein zugeschnitten war auf die Belange der No-Budget -FilmemacherInnen, aber inzwischen gab es die Koalitionsvereinbarung von AL und SPD mit dem Auftrag, die eigenständige kulturelle Filmförderung ins Leben zu rufen. Die detailliertere Ausarbeitung des Modells setzte sich nun aus vier Bereichen zusammen: I.Projektförderung, II.Strukturförderung, III.Gremienarbeit, IV.Verwaltung, was nach der Diskussion zur einer Resolution führte, die mehrere qualitative Sprünge beinhaltet: RESOLUTION
Die am 18.4. in der Akademie der Künste versammelten Berliner FilmemacherInnen, ProduzentInnen und Filmschaffenden fordern vom Berliner Senat:
1.Die Einrichtung einer Kulturellen Filmförderung in Selbstverwaltung.
2.Die Umgestaltung der bestehen den Berliner Low-Budget-Filmförderung.
3.Die Einrichtung zusätzlicher strukturfördernder Maßnahmen in den Bereichen Projektförderung, Beratung, Vertrieb und Fortbildung.
Die Versammlung wird gemeinsam mit den im Filmbereich Tätigen detaillierte Konzepte erarbeiten und diese dem Senat vorlegen.
Damit war zum einen aus dem Round-table-Gespräch der No -Budget-FilmemacherInnen ein Plenum der Filmschaffenden geworden, in dem nun No-Budget-, Low-Budget- und die VideomacherInnen, die ihre Ansprüche dort ebenfalls anmeldeten, gleichberechtigt arbeiten, und zum anderen wurde zum konstitutionellen Bestandteil des Modells die Selbstverwaltung.
In drei Arbeitsgruppen wurde inzwischen bis zum 9.Mai ein weiterer Vorschlag für das Modell der kulturellen Filmförderung Berlin erarbeitet, in dem sich die veränderte Situation wiederspiegelt. Die vier Bereiche heißen nun: I.Förderung von Produktion und Produktionsvorbereitung, II.Verleih- und Vertriebsförderung, III.Film- und Video -Abspielförderung, IV.Selbstverwaltung.
Die Selbstverwaltung wiederum gab Anlaß zur Diskussion über Gremienarbeit und über die Mitgliedschaft in einem Trägerverein. Mit großer Mehrheit entschied sich das Plenum für die Beschränkung auf „Berliner FilmemacherInnen, VideomacherInnen und DrehbuchautorInnen, die kulturelle Filmförderung im Sinne dieses Modells leisten. Andere Personen wie ProduzentInnen, VerleiherInnen, KinomacherInnen werden, wenn sie kulturelle Filmarbeit im Sinne dieses Modells leisten, durch Beschluß der Mitgliederversammlung bzw. des Vorstandes Mitglied.“ Die wichtigsten Argumente für die Entscheidung waren, daß nur FilmemacherInnen, AutorInnen und VideomacherInnen als kreatives Potential für den künstlerischen Film eminente und unwirtschaftliche Interessen im Förderbereich haben, und daß man den Verein vor einer Überflutung durch wirtschaftliche Interessen von ProduzentInnen und Kinoketten schützen müsse.
Wie wichtig allerdings u.a. auch die Vertriebs- und Verleihförderung ist, wobei die kulturelle Filmförderung auch in diesem Gebiet Neuland betritt, schilderte Clara Bruckner vom Basis Film Verleih, als es um den Verteilungsschlüssel der einzelnen Förderbereiche ging. So differierten die Vorschläge im Bereich der Vertriebsförderung um den Prozentanteil von 10 bis 20 Prozent der Gesamtsumme, wobei Clara Bruckner den Höchstanteil forderte. Ihre Rechnung beruht auf den Erfahrungen an der Kinokasse. Wenn nämlich die Karte 8 Mark kostet, bleiben davon 4,80 Mark für den Kinobesitzer, 2,20 Mark für den Produzenten und nur 1 Mark für den Verleih, der bei einer angenommenen Besucherzahl von 10.000 gerade einmal 1.000 Mark erhielte, wovon Werbung, Personalkosten usw. zu bezahlen seien.
Wie schwierig es ist, die „kulturelle Filmförderung“ nicht aus den Augen zu verlieren und nicht als bloße neue Geldverteilungsmaschine zu verstehen, zeigte wiederum die plenare Diskussion am vergangenen Dienstag. Nachdem man sich per Abstimmung geeinigt hatte, in der übernächsten Woche zur Verabschiedung des Modells zu kommen, brauchte es knapp drei Stunden für die „Projektvorbereitung“ und „Produktionsförderung von kurzen und innovativen Filmen und Videoprojekten“. Das mag zwar auch daran gelegen haben, daß immer neue FilmemacherInnen auf den Plena erscheinen, die sich über den Stand der Diskussionen erst informieren müssen. Aber es zeigte sich auch, wie nahe man an der Grenze dazu ist, Details zu zerreden, wenn man „Zumutbarkeitsklauseln“ eingebaut haben will für die Vergabe von 30.000 Mark Förderhöchstsumme für Projektförderung als Ganzes für a)Projektplanung, b)Entwicklung und Herstellung von Drehbüchern, c)Produktionsvorbereitende Maßnahmen.
Bei der Produktionsförderung einigte man sich schließlich darauf, immer noch uneinig zu sein. Für den Bereich Herstellungskosten von 150.000 Mark waren 29 TeilnehmerInnen der Meinung, Vollfinanzierung ohne Eigenanteil sei das einzig Wahre, 27 hingegen bestanden auf 10 Prozent Eigenmittel.
Es fällt schwer zu glauben, daß am kommenden Dienstag um 20 Uhr dasGesamtpaket zum Abschluß gebracht werden wird, wenn sich die Betroffenen nicht auf das Selbstverständnis einigen, daß das Modell der kulturellen Filmförderung einen Einstieg in eine neue Filmkultur bedeutet. Schon die Tatsache, daß die unterschiedlichen Interessen von den Film und VideomacherInnen in eigene Verantwortung genommen werden, die nicht endet beim fertigen Schnitt, sondern umfassend auch den Vertrieb und Verleih beinhaltet, mißt diesen Bereichen einen anderer Stellenwert zu und könnte die filmkulturelle Landschaft grundlegend verändern. Es geht schließlich um die Herstellung und Verbreitung von Filmen, die nicht auf dem Krabbeltisch der privaten wie öffentlichen Fernsehanstalten verramscht werden. Es geht um die Produktion von Filmen, die nicht konsumorientiert wirtschaftlich wertvoll sind, sondern um Filme, die ohne Wenn und Aber nur das Produkt ihrer MacherInnen sind. So wie es undenkbar ist, daß jemand einer Malerin sagt: „Könnte es nicht dort ein bißchen blauer, und dort ein wenig unpolitischer sein?“
Qpferdach
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