Friedensforschung-betr.: "Die Mitglieder nie ernst genommen", taz vom 13.5.89

betr.: „Die Mitglieder nie ernst genommen“, taz vom 13.5.89

Die Auseinandersetzung um das Starnberger Forschungsinstitut ist nicht nur eine Personalfrage, sondern macht schlaglichtartig auch die Situation der Friedensforschung in der Bundesrepublik deutlich. Freilich sollte aufgrund der geschilderten Vorgänge um das Institut in Starnberg Alfred Mechtersheimer schleunigst seinen Hut nehmen und so den Weg zu einer Weiterführung des Starnberger Friedensforschungsinstituts ebnen.

Alfred Mechtersheimer hat seinerzeit mit der Gründung des Instituts der kritischen, handlungsorientierten Friedensforschung Auftrieb und neue Impulse gegeben und sich auch um die Entwicklung der Friedensforschung insgesamt große persönliche Verdienste erworben. Das betrifft insbesondere die Auseinandersetzung um die Stationierung von Pershing II und Cruise Missiles und die Kritik der offensiven Nato-Militärstrategie Anfang der achtziger Jahre.

Aber weder die von ihm angeführte Begründung für die Auflösung des Instituts („Aufgabe erfüllt“) ist stichhaltig, noch läßt es sich mit dem Selbstverständnis kritischer Friedensforschung vereinbaren, die basisorientierte Vereinsstruktur - ein fundamentaler Neuansatz in der Geschichte der Friedensforschung - nach außen zu preisen, im Ernstfall in ihr aber nur einen demokratischen Klotz am Bein zu verspüren. Auch der in der „Arbeitsgruppe Zukunft“ bekanntgewordene rücksichtslose Umgang mit MitarbeiterInnen im Institut und Beschlüssen der Mitgliederversammlung macht einen solchen Schritt notwendig.

In einer Zeit, in der weitreichende Abrüstungschancen das starre Festhalten des Westens an der Abschreckung und eine raffiniert getarnte neue nukleare Aufrüstungsrunde gegenüberstehen, ist die Friedensforschung mehr denn je dazu aufgerufen, Bedingungen und Möglichkeiten einer künftigen politischen Friedensforschung und einer Zivilisierung des Konflikts zu erforschen. Insbesondere muß sie stärker als bislang über die innenpolitische Durchsetzbarkeit der Überwindung der Abschreckungspolitik forschen. Die etablierte Friedensforschung in den großen Forschungsinstituten hat sich lange Zeit mehr oder weniger mit der Abschreckung und dem „Minimalkonsens der Rüstungskontrolle“ abgefunden, löst sich von dieser Erstarrung nur sehr langsam und befindet sich in der „Sackgasse eines stillschweigenden Kommunikationszirkels“ mit kaum noch spürbarer gesellschaftspolitischer Wirksamkeit. Im Gegensatz zu der insbesondere in der Wissenschaftlerfriedensbewegung und der dort entwickelten friedenswissenschaftlichen Expertise, die sie - wie das Beispiel der Naturwissenschaftler, Ärzte, Informatiker, Psychologen usw. zeigt - immer stärker direkt praxisrelevant in die friedens- und sicherheitspolitische Debatte und Praxis einbringt.

Die Friedensforschung steht vor der Notwendigkeit einer umfassenden Neuorientierung ihrer forschungspolitischen Prioritäten und ihres wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Selbstverständnisses. In einer solche Situation kann es nicht in Frage kommen, daß ein an sich gesundes und zukunftsträchtiges Institut willkürlich den persönlichen Karriereinteressen eines einzelnen geopfert wird. Notwendig ist die Stärkung und Konsolidierung seiner parteiunabhängigen Stellung als auf die Friedensbewegung orientiertes Institut.

Freilich dürfen die Vorgänge in Starnberg nicht von der skandalösen Mißbehandlung der Friedensforschung in der öffentlichen Forschungsförderung ablenken. Die lächerlichen sechs Millionen Mark Gesamtaufwendungen der öffentlichen Hand in der Bundesrepublik für die Förderung der Friedens und Konfliktforschung entsprechen knapp dem Gegenwert eines einzigen modernen Kampfpanzers. In einer Zeit, in der Spannungen zwischen den Blöcken nachlassen und Umrisse und Bedingungen zukünftiger Friedensordnungen gefragt sind, müßten diese Aufwendungen verdoppelt und die 1983 im ideologischen Wendetaumel aufgelöste „Deutsche Gesellschaft für Friedens- und Konfliktforschung“ wieder neu errichtet werden.

Ingo Arend, Bundesvorstand der JuSos in der SPD, Mitglied des Starnberger Instituts für Friedenspolitik