Schafft viele Freihandelszonen

■ Gorbatschows Visionen für einen waffenfreien östlichen Entwicklungspool

Vielleicht ist es ja wirklich so, daß die Supermächte der Welt, die USA und die Sowjetunion, nicht mehr um die Zuneigung Chinas buhlen, um die Kräfteverhältnisse auf der Welt zu ihren Gunsten zu verschieben. Gorbatschow und die chinesische Führung haben es im Vorfeld und während des Besuchs jedenfalls sorgsam vermieden, den Entspannungsprozeß in Asien als neue und alte Achse erscheinen zu lassen. Doch dürfte Gorbatschow mit seinen Abrüstungsangeboten dennoch langfristig damit kalkulieren, die Kräfteverhältnisse in Asien für die Interessen der sowjetischen Politik zu verändern.

Und die gehen heute von einer ganz anderen Vision als früher aus. Waren die wesentlichen Signale der sowjetischen Politik seit den fünfziger Jahren offensichtlich auf Expansion geeicht, daß selbst das kommunistische China in die Arme des Kommunistenfressers Nixon getrieben wurde, so hat heute Gorbatschow glaubwürdig mit dieser Art Supermachtattitüden Schluß gemacht. Die neue Vision ist pragmatisch. Gemeinsame Nutzung der Ressourcen des riesigen sibirischen Raums ist ein Angebot auch an die Adresse der Chinesen. Investitionen von westlichem, US-amerikanischem und japanischem Kapital in Freihandelszonen im sowjetischen Fernen Osten sind erwünscht. Die Parole lautet heute: Schafft viele Freihandelszonen, „Hongkongs“. Und diese Vision trifft für beide Staaten zu.

Mit den in Peking von Gorbatschow vorgetragenen sowjetischen Angeboten, die Rote Armee zukünftig vollständig von der Grenze zu China zurückzuziehen, sind die Weichen auf Entmilitarisierung der Region gestellt. Daran kann die chinesische Führung nicht mehr vorbei.

Wenn es also atmosphärisch klappt - die Demonstrationen ändern nichts - so ist ökonomisch jedoch für Gorbatschow in China kaum etwas zu holen. Und umgekehrt. Schon gar nicht zur Bewältigung der aktuellen Wirtschaftskrise. Peking ist für die Realisierung der neuen sowjetischen Vision nur eine Etappe auf einem Weg, der nach Tokio führen muß. Und der bleibt steinig. Das hat schon die chinesische Führung beklagen müssen. Auch die neue Washingtoner Administration hat noch keine Signale ausgesandt, nun ihrerseits an der Entmilitarisierung des Raums mitzuwirken und damit die „psychologischen Voraussetzungen“ für den Entwicklungsschub, sprich westliche Kapitalinvestitionen, zu verbessern. Wenn Gorbatschow dies nun beklagt, muß er jetzt auf mehr Verständnis in China treffen. Und so könnte nach dem Besuch doch wieder ein bißchen Achsendenken sichtbar werden.

Erich Rathfelder