Zivis als Zweitregister

■ Bremer Zivildienstleistende wollen streiken / ÖTV und Graue Panther solidarisch / Bremer Professor belegt: „Zivildienst nimmt Arbeitsplätze weg“

„Zivildienst bedeutet Arbeitsplatzvernichtung“ und „Zivildienstleistende sind Arbeitnehmer zweiter Klasse“ lauten zwei der zentralen Thesen, mit denen die Bremer Zivis am 1. Juni einen Streik-und Aktionstag durchführen werden. Mit diesen Thesen wollen die Zivis ihre konkreten Erfahrungen am Arbeitsplatz problematisieren: Mehr als 90 Prozent aller Zivildienstleistenden sind im sozialen Bereich eingesetzt. Vor allem in Krankenhäusern und Altenheimen übernehmen sie Arbeiten, die sonst von eigens dafür qualifizierten KollegInnen ausgeführt werden. Die Folge: Weniger qualifizierte Arbeitskräfte werden eingestellt, der akute Pflegenotstand wird beschönigt: Allein im Zentralkrankenhaus St. Jürgen Str. arbeiten nach Angaben der Selbstorganisation der Zivildienstleistenden

in Bremen 80 Zivis.

Als „Arbeitnehmer zweiter Klasse“ bezeichnen sich die ZDLer, weil sie den Arbeitgebern im Gesundheitswesen als „ein Heer von Billigst-Lohnarbeitern“ zur Verfügung stünden: ohne Recht auf Mitbestimmung oder Streikrecht, auf freie Arbeitsplatzwahl oder Arbeitsschutz. „Dieser Zustand bedeutet eine Bedrohung für die tarifrechtlich geregelte Situation unserer Kollegen in den Pflege-und Sozialberufen,“ erklärten die Zivi-Sprecher Andreas Brandhorst und Geret Busch gestern bei ihrer Pressekonferenz.

Zivildienstleistende stehen in einem (öffentlich -rechtlichen) Dienstverhältnis, das weitgehend an das Wehrrecht angelehnt ist. Das Bundesamt für den Zivildienst hat es einst als „arbeitsmarktneutral“ verordnet. Daß

dies keineswegs mehr zutreffend ist, hat beispielhaft für Bremen Jürgen Blandow, Professor an der Uni Bremen und Vorstandsmitglied des DPWV (Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands), in einer Studie erarbeitet.

In den Ergebnissen seiner Regionalen Arbeitsmarktstudie „Zivildienstleistende als Personengruppe des Wohlfahrtswesens“ zeigt Blandow: Jeder 6. Vollbeschäftigte ist ein Zivildienstleistender, in Stunden umgerechnet erbringen sie 11,4 Prozent der Gesamtleistung der bremischen freien Wohlfahrtspflege. Sie sind die zweitgrößte Personalgruppe. Sie erbringen einen höheren Anteil an der Gesamtarbeit als die ABM-Kräfte und knapp 30 Prozent der Leistung aller Sonderpersonalgruppen. So die (keineswegs mehr arbeitsmarktneutrale) Realität von 1987.

Auch aufgrund dieser Zahlen unterstützen die Bremer Zivis die Einschätzung von KdV-Organisationen, wonach der Einsatz von Zivildienstleistenden sich künftig zunehmend auf „kriegswichtige“ Arbeitsfelder konzentrieren wird. Nach dem Zivildienstgesetz und dem geplanten Katastrophenschutzgesetz -Ergänzungsgesetz (KatSGErgG) sind Zivildienstleistende in das zivile Gesamtverteidigungskonzept der NATO eingeplant. „Wir werden eingebunden ins militärstrategische Konzept zur Sicherung der sog. Heimatfront, ohne die eine totale Mobilmachung und ein totaler Krieg undenkbar geworden ist,“ so die Zivis. Dem wollen sie sich verweigern. Der Vorstand des DPWV will sich mit den auch verteidigungspolitisch brisanten Forderungen der Zivis auseinandersetzen. r