„Die Lage wird dramatischer“

■ Vertreter von AL und SPD diskutierten vor studentischem Publikum über die studentische Wohnungsnot / Keine Verbesserungen in Aussicht

„Die Lage wird zum Wintersemester 1989/90 noch wesentlich dramatischer werden“, prognostizierte gestern Studentenwerksleiter Hansjürgen Fink die Möglichkeit für StudentInnen, eine Wohnung zu ergattern. Er könne eigentlich keinem Studenten raten, nach Berlin zu kommen, wenn er nicht bereits eine Wohnung habe.

Als ersten Schritt zur Behebung der studentischen Wohnungnot kündigt ein Vertreter der Wissenschaftsverwaltung die Schaffung von 1.000 neuen Wohnheimplätzen an. „Es gibt auch viele Studenten, die nicht in Wohnheimen wohnen wollen“, gab ein Vertreter des Senats für Stadtentwicklung und Umweltschutz zu bedenken und handelte sich damit den spontanen Applaus der Anwesenden ein.

StudentInnen, hochschul- und baupolitische Experten, Vertreter der Senatsverwaltungen, des Studentenwerks und von Selbsthilfeorganisationen diskutieren gestern auf einem von Alternativer Liste und SPD im Rathaus Schöneberg veranstalteten Hearing über mögliche Lösungsansätze zur Behebung der studentischen Wohnungsnot.

„Wie kann man schnell etwas realisieren?“ wurde wiederholt gefragt. Die vom Wissenschaftssenat ins Auge gefaßten Projekte - Erweiterung des Wohnheims der Bürgermeister -Reuter-Stiftung um 300 Plätze, Ausbau eines Wohnheims in Dahlem um 80 Plätze und ein größeres Projekt auf dem Gelände des ehemaligen Klinikums Charlottenburg mit rund 400 Plätzen - sind nach Angaben von Senatsvertreter Hennig bereits etatreif, können aber wohl kaum bis zum Beginn des Wintersemesters fertig sein. Dann bleibe nur noch die Möglichkeit, an die Vermieter in Berlin zu appellieren und nach Übergangsunterbringungen in Schwesternwohnheimen oder Altenwohnungen zu fahnden. Als letzte Notmaßnahme kündigte der Senat die Aufstellung von Wohncontainern für Erstsemester an.

„Wieso wollen Sie dann 360 Wohnplätze im Studentenwohnheim Schlachtensee vernichten?“, mußten sich Senats- und Studentenwerksvertreter angesichts dieser düsteren Aussichten von Schlachtensee-BewohnerInnen fragen lassen. Aufgrund einer drei Jahre alten Planung soll demnächst ein großer Teil der Wohneinheiten abgerissen werden. Ein Neubau ist zwar geplant, aber insgesamt wird sich die Zahl der Wohnplätze für die StudentInnen deutlich verringern. Eine entsprechende Vorlage der Wissenschaftssenatorin wird voraussichtlich am 15.Juni den Hauptausschuß passieren. „Da sträuben sich mir ja die Haare“, erklärte Volker Härtig, baupolitischer Experte der AL. „Das ist ein Skandal, wie hier mit Bausubstanz umgegangen wird.“ Der Abrißstopp der Koalition für Wohnraum müsse auch für Schlachtensee gelten.

-guth