Wenn BremerInnen baden gehen...

■ ...schwimmen sie in einem von sechs Freibädern und sieben Badeseen / Öffentliche Bäder wollen „Anstalts-Image“ loswerden / Seewasser umso schlechter je besser das Wetter / Chlor in allen Freibädern

Wer vor 30 Jahren in Bremen baden wollte, mußte in die Weser springen. Seen gibt es in Bremen erst, seit die Stadt in den 60er Jahren von Autobahnen umzingelt wurde. Als Nebenprodukt der Dammbauten für die Teerpisten entstanden Baggerlöcher, die sich schnell mit Grundwasser füllten. Sieben davon sind heute mit offiziellen Badestellen ausgestattet, an Kioskbesitzer zwecks Salino-, Chips- und Eisverkauf verpachtet, mit Klos vor zu häufigem Wasserlassen im Wasser beschützt und durch die Ferngläser der DLRG überwacht.

Allerdings haben die Neu-Bremer Baggerseen einen unangenehmen Bade-Nachteil: Je besser das Wetter ist, desto schlechter wird ihr Wasser. Denn bei hohen Temperaturen steigt nicht nur die Algenproduktion (und senkt den Sauerstoffgehalt), auch Koli-Bakterien fühlen sich in lauwarmem Wasser erst richtig wohl. Und weil schließlich gutes Wetter auch die menschlichen Schwim

mer besonders zahlreich anlockt, mußte in guten Jahren schonmal ein Badesee vom Hauptgesundheitsamt geschlossen werden. In den vergangenen zwei Jahren schütze allerdings schlechtes Wetter vor solcher Ungemach. Wie dreckig ist

das Badewasser?

Das Baggersee-Wasser wird 14tägig vom staatlichen Hygiene -Institut auf Bakterien untersucht. Wer also auf der Suche nach Erfrischung in den Unisee, den Mahndorfer-, Bulten-, Achterdiek-, Sodenmatt- oder Waller-See springt, muß keine Infektion befürchten. Das gilt auch für den im vergangenen Jahr erstmals wieder mit Wasser gefüllten Werdersee. Die im Weserwasser (und nur um solches handelt es sich dort) besonders häufig anzutreffenden Schwermetalle und Salze werden allerdings nicht gemessen. Dennoch hält das für die Seebäder zuständige Sportamt das Baden im Werdersee auch in die

sem Jahr für gesundheitlich unbedenklich. Warm und gechlort

Badeseen sind zwar umsonst und draußen, bei Bremer Wetter oft genug aber zu kalt (oder eben warm und dreckig). Nicht ganz umsonst, aber weniger wetterempfindlich schwimmt man im Freibad. Sechs davon gibt es in Bremen (das Vegesacker Kombi -Bad wird zur Zeit umgebaut), und alle sind beheizt. Das Wasser kommt aus der Leitung und wird zusätzlich mit 0,3 mg Chlor pro Liter entkeimt.

Eine Ausnahme ist das Horner Freibad, das aus einem eigenen Brunnen mit Solewasser gespeist wird. Mit einem hohen Anteil an Chlorid- und Natrium-Ionen und einem leichten Eisengehalt ist das Horner Becken fast ein Heilbad. Entgegen weitverbreiteten Gerüchten wird dem gesunden Wasser allerdings ebenfalls 0,3 mg Chlor je Liter zugesetzt - das Gesetz verlange es so, heißt es zur Begründung bei der Gesellschaft für Öffentliche Bäder. Das gilt übrigens auch für die Freibäder in Bad Zwischenahn und Lilienthal, die damit werben, daß sie ihr Wasser mit Ozon keimfrei machen. Wer dort beim Schwimmen rote Augen bekommt, hat es den

0,2 mg Chlor je Liter zu verdanken, die trotz Ozon beigemischt werden.

Wer sich nach dem Sprung ins Horner Bad ohne Dusche in die Sonne knallt, kann einen weiteren Effekt des Sole-Wassers erleben: Das Salz beschleunigt den Sonnenbrand. Doch dazu soll es in Bremen ja nur sehr selten reichen. Aufdringlicher als die Sole-Sonne macht sich im Horner Freibad allerdings die Autobahn bemerkbar. Auf ihr donnern ein paar Meter hinter dem Freibad-Zaun die LKWs in Richtung Bremerhaven. Kribbeln im Bauch

in 10 Meter Höhe

Dagegen geht es im Stadion-Bad richtig ruhig zu. Vor allem wenn um 18 Uhr die Badezeit für Kinder per Lautsprecherdurchsage abrupt beendet wird, ziehen ein paar Erwachsene gemächliche Feierabend-Bahnen. Nur Samstag nachmittags schwappt der tausendstimmige Chor von Fußball -Fans über die Mauer des benachbarten Weser-Stadions und kräuselt das Becken.

Während im Stadion-Bad der Bauch beim freien Fall vom 10 -Meter-Turm ins Kribbeln kommt, versüßen das Schloßpark- und das Heidbergbad den

Weg aus gleicher Höhe ins Wasser mit über 80 Meter langen Rutschen. Auf einem Wasserteppich kann man sich dort mit Badehose wie ein Bob-Fahrer im Eiskanal fühlen. Das größte Tempo legen die Kleinsten im Vierer-Verbund auf die Rutsche. Spaßbad-Konkurrenz

Unter der Konkurrenz des Delmenhorster Spaßbads wollen sich jetzt auch die Bremer Freibäder vom muffigen Image der „Badeanstalt“ mit ihren strengen Bademeistern und verbots -beschilderten Wiesen befreien. „Bunter und aufgelockerter“ heißt die Devise der Gesellschaft für Öffentliche Bäder.

Neue Schaukeln, Volleyball-Felder und Sandkisten sollen auch ins Freibad locken, wenn das Wasser mal nicht so lockt. Aber auch mit der Höhe der Eintrittspreise wetteifern die öffentlichen Bäder inzwischen mit der privaten Konkurrenz. Zwischen 20 und 50 Prozent wurden sie gegenüber 1988 erhöht.

Trotzdem: Bei Preisen zwischen 1,50 und drei Mark für einen ganzen Tag im Freibad gibt es noch keinen Grund, wie vor 30 Jahren wieder den Sprung in die Weser zu wagen.

Dirk Asendorpf