Blinden - Blumengarten in Bremen-Nord

■ Mit Selbsthilfe und Spendenlaune die nötigen Mittel aufgebracht / Ein taktiles und olfaktorisches Blumenland für Blinde und Sehbehinderte / Gesundheitssenatorin sagte dem Projekt finanzielle Unterstützung zu

Die Frau Senatorin Rüdiger hat schon wieder recht. Die Idee, die Blumen-und Pflanzennamen nur in Blindenschrift an den Rabatten anzubringen, hat etwas Gutes für sich. So sind die Sehenden, wollen sie sich nicht allein auf ihre wenig ausgebildeten taktilen und olfaktorischen Fähigkeiten verlassen, auf die Hilfe der Blinden angewiesen. Eine schöne Verkehrung des sonstigen Verhältnisses.

Lothar Kranz, als Gärtnermeister beim Bauamt Bremen-Nord beschäftigt, ist Ideengeber und Motor dieses ersten bundesdeutschen Blindengartens. Er ist darüber hinaus Besitzer der umfangreichsten botanischen Privatsammlung in der Republik. Gestern wurde „sein Garten“ unter großer Anteilnahme blinder und sehbehinderter Menschen und ihrer politischen Fürsprecher im Bremer Norden eröffnet. In der Nähe des Knoops Park, auf einer Fläche von 1.500 Quadratmetern, ist die duftende Farben

pracht zu befühlen.

Asphaltbelag signalisiert den BesucherInnen, daß sie am Eingangsbereich angelangt sind. Eine Relieftafel ermöglicht den tastenden Eindruck über die Gesamtanlage. Die unterschiedlichen Wegesmaterialien (Rindenmulde zwischen den Rabatten, Kopfsteinpflaster in den Zwischenräumen) sollen den blinden BesucherInnen die Orientierung erleichtern. Eine weitere kleine Hilfe ist die Anordnung der Blumen nach Düften. Sie sollen sich nicht überlagern, damit das jeweils charakteristische Aroma in die Nase steigt. Und damit dieser Weg nicht so lang wird, sind die Beete auf Hüfthöhe angebracht.

„Stiefmütterchen“ und „Schwertlilie“, hilft mir ein älterer Mann aus, als ich weder sehe noch rieche, was da vor mir gedeiht. Er ist späterblindet, ein Vegesacker seit Geburt an und froh, daß es jetzt so einen Garten gibt. Von seinem Wohnort aus sei er schnell zu erreichen, und er kann

sich vorstellen, daß die Anlage an schönen Tagen, inmitten dieser ruhigen Umgebung, zu einem geselligen Treffpunkt wird.

Lothar Kranz hatte, um die Idee seines Blindengartens in die Welt setzen zu können, „in realistischer Einschätzung der Finanzsituation Bremens gleich den richtigen Weg gewählt“ (Vera Rüdiger bei der Eröffnungsansprache). Ein Verein wurde gegründet, mehr als sechshundert Bettelbriefe verließen seinen Schreibtisch, und letztlich finanzierte er die Anlage nur mit Spenden und freiwilligen Arbeitsleistungen bremischer Firmen. Was Wunder, daß die Politiker voll des Lobes über diese „Selbsthilfe“ waren. Aber lumpen lassen wollten sie sich auch nicht, und so versprach die Gesundheitssenatorin, der Deputation vorzuschlagen, dem Blindengarten aus Wettgeldern zehntausend Mark zu spendieren, „als kleines Zeichen der hohen Anerkennung“.

Andreas Hoetzel