Standbild: Aufmarsch der journalistischen Haßkappen

Mittwoch abend, Studio 1, ZDF: Gerhard Löwenthals Erben im Frontalangriff auf die Anwälte der Gefangenen der RAF wegen des gerade beendeten Hungerstreiks. Kein Wort darüber, daß nun auch das Ende des letzten Hungerstreiks denen Recht gegeben hat, die bereits in der Hungerstreikerklärung von Helmut Pohl eine neue Qualität entdeckten: Die Tatsache nämlich, daß Menschen in verzweifelter Lage nur noch menschenwürdige Haftbedingungen erstreiten wollten, auf die sie seit jeher einen Anspruch hatten, ohne Gehirnwäsche und Isolation. Statt dessen lassen die ZDF-Schmierfinken den einst als liberal gerühmten Präsidenten des Oberlandesgerichts Braunschweig, Rudolf Wassermann, in Rebmanns Horn blasen: Ziel des Strafvollzugs an den RAF -Gefangenen - so kündet er aus der Warte vermeintlicher fachlicher Autorität dem Publikum - sei deren Wiedereingliederung in die Gesellschaft, also die Resozialisierung. Die Forderung nach Zusammenlegung der Gefangenen sei aber die Forderung nach dem Erhalt ihrer Gruppe mit politischer Indentität. Dies stehe dem Resozialisierungsauftrag entgegen und folglich handle jeder Anwalt, der die Zusammenlegungsforderung unterstützt, gegen das Gesetz.

Unerwähnt bleibt in der Sendung, daß Wassermann sich mit dieser „Rechtsauffassung“ in den nur noch kurzen Geleitzug einer kaum zu haltenden Mindermeinung unter Juristen begeben hat. Statt dessen folgt die „Entlarvung“ des Pohl -Verteidigers Pausch als Staatsfeind und Parteigänger des Verbrechens im Interview: Wie Herr Pausch denn nun plötzlich die Taten seiner Mandanten einschätze, wie er Gewalt gegenüber Sachen und Menschen sehe...? Was geht's die Journaille an? Die zögernden, Pausch in beängstigender Defensive zeigenden Erklärungen, sein Versuch, mehrfach die Antworten auf mitten in das Mandatsverhältnis zielende Fragen zu verweigern und dann auf Nachfragen doch immer wieder dem vermeintlichen Zwang nach Rechtfertigung nachzugeben und weiter zu reden. Wie gerne hätte man ihn das unwürdige Schauspiel abbrechen sehen, das doch nur zu einem diente: der offenen Forderung nach Kriminalisierung der Anwälte, der Hetze gegen die Standesorganisationen, die bislang (zu Recht) keinen Anlaß sahen, gegen die RAF-Anwälte wegen des Hungerstreiks ehrengerichtliche Maßnahmen einzuleiten. Hat jemals ein Journalist die FDP-Lambsdorf -Verteidiger zur Distanzierung von ihrem steuerhinterziehenden Mandanten aufgefordert? Oder die Verteidiger der Berliner Bau- und Politmafia des „Antes -Skandals“? Ich kann mich nicht daran erinnern: Es wäre aber auch nicht die Aufgabe der Presse gewesen. Verteidiger müssen unabhängig sein, auch unabhängig von den Überzeugungen und Taten ihrer Mandanten, die sie gleichwohl nie verraten dürfen.

Jony Eisenberg