Exxon-Konzern schwimmt

2.000 Aktionäre des Katastrophen-Konzerns tagten / Jahreshauptversammlung des Ölmultis von Protesten begleitet / Chef denkt nicht an Rücktritt  ■  Aus New Jersey Stefan Schaaf

„Sie können sich kein neues Image kaufen. Von nun an dürfen sie einfach nichts mehr falsch machen!“ Mit diesen Worten beschrieb ein Lachsfischer aus Alaska die Aufgabe, der sich die Konzernleitung von Exxon in Zukunft zu stellen hat. Die Äußerung fiel am Donnerstag auf der turbulenten Aktionärsversammlung des Unternehmens, das seit der Ölkatastrophe im Prinz-William-Sund vor sieben Wochen im Zentrum der öffentlichen Kritik steht. Eine lautstarke Minderheit der 2.000 Exxon-Aktionäre, die sich ihren Weg in die Versammlungshalle durch ein Spalier von Demonstranten bahnen mußten, teilten den Unmut über die zögerliche Reaktion der Konzernleitung auf den Tankerunfall, der mittlerweile mehr als tausend Kilometer zuvor unberührter Küstenlinie mit schwärzlichem Ölschlick überzogen hat. Die Aktionäre zeigten sich wenig von einem Exxon-Videofilm beeindruckt, den die Geschäftsleitung vorführen ließ, um das ihrer Ansicht nach schiefe Bild der Medien zu korrigieren. „Ihr Film wird den Proteststurm gegen das Management nicht stoppen“, sagte eine Aktionärin. „Es reicht nicht aus, den Kapitän des Tankers zu bestrafen, die Entscheidungen, die zu dieser Katastrophe geführt haben, wurden woanders gefällt.“

Draußen vor der Halle, wo seit den frühen Morgenstunden mehrere hundert Menschen mit bunter Kostümierung, Straßentheater und Sprechchören Stimmung gegen den Konzern und eine von Öl und Benzin abhängige Konsumgesellschaft machten, waren deutlichere Töne zu hören. „Wir müssen einige dieser Konzernbosse hinter Gitter bringen“, wünschte sich Eric Draper, Direktor der Washingtoner Umweltschutzkoalition „Clean Water Action“. Einigkeit herrschte über die Forderung an die Öffentlichkeit, Exxon zu boykottieren und Kreditkarten der Ölgesellschaft an die Geschäftsleitung zurückzugeben. Das haben bisher 18.000 Exxon-Kunden getan. Andere hofften, daß die Ölkatastrophe in Alaska den öffentlichen Druck auf Gerichte und Parlamente stark genug wachsen lassen werde, um weiteren Bohrungen vor der Küste Einhalt zu gebieten.

Konzernchef Lawrence Rawls zeigte sich am Ende der Aktionärsversammlung, nachdem er und seine Aufsichtsratskollegen mit satten Mehrheiten bestätigt worden waren, von der Kritik recht wenig beeindruckt. Am Morgen hatte er beteuert, der Aufsichtsrat sei über den Unfall „zutiefst bestürzt“ und erkenne seine Verantwortung an, die Auswirkungen der Katastrophe zu beseitigen. Doch er wollte sich nicht einmal auf eine Schätzung des Ausmaßes der Ölpest festlegen: während die Umweltbehörde von Alaska von mehr als 1.000 km verseuchter Küste redet, spricht Exxon nur von der Hälfte.

Vor den Aktionären hatte Rawls erste Maßnahmen angekündigt: ein Komitee werde zur Prüfung juristischer Folgen gebildet, Exxon-Angestellte bis hinauf zur Konzernspitze würden Drogentests unterworfen und der Aufsichtsrat werde um ein Mitglied mit Umweltschutzerfahrung erweitert.

Später sagte er vor Journalisten, er habe von den Aktionären „keine produktiven Vorschläge gehört“. Die hatten unter anderem gefordert, daß Rawls zurücktreten solle, die Konzernleitung zehn Prozent ihrer Aktienpakete in einen Umwelt-Fonds einzahlen und die Erforschung anderer Energiequellen verstärken solle.